Zwei starke Frauen. Selbstbewusst und zielstrebig. Beide wollen sie am 17. November Chiles neue Präsidentin werden. Michelle Bachelet und Evelyn Matthei kämpfen derzeit mit sieben weiteren Kandidaten um das höchste Amt in Chile. Die 62-jährige Bachelet, die schon von 2006 bis 2010 Chiles Präsidentin war, tritt für das Mitte-Links-Bündnis Nueva Mayoria an. Die 59-jährige Matthei ist Kandidatin der rechten Partei Unión Demócrata Independiente (UDI) und der Allianza por Chile, die derzeit mit Staatschef Sebastián Pinera regiert.
Die Geschichte der beiden politischen Rivalinnen beginnt jedoch viel früher. Und lässt genau 40 Jahre nach dem Militärputsch des Diktators Augusto Pinochets alte Wunden noch einmal aufbrechen. Sie beginnt mit der tiefen Freundschaft, die ihre Väter – beide Generäle der Luftwaffe (FACH) – verband, und mit einer Kindheit, die durch militärische Richtlinien geprägt war. Denn Alberto Bachelet und Fernando Matthei wohnten in den 50er Jahren mit ihren Familien am Luftwaffenstützpunkt Cerro Moreno. Der liegt 26 Kilometer von Antofagasta entfernt im Norden Chiles und nahe der trockenen Atacama-Wüste.
Freundschaft in Kindertagen
Die Bachelets und die Mattheis waren Nachbarn. Und obwohl es zunächst den Anschein hatte – so heißt es in einem Bericht der BBC –, als hätten sie nicht viel gemein, entstand eine tiefe Freundschaft zwischen dem disziplinierten und kultivierten General Matthei und dem als extrovertiert und charismatisch bekannten Bachelet. Die Töchter Michelle und Evelyn gingen gemeinsam in die Kasernenschule und spielten in ihrer Freizeit zusammen.
Politisch jedoch drifteten die Meinungen der Väter auseinander. Während Bachelet sich zum Sozialismus hingezogen fühlte und unter Salvador Allende in der Hierarchie der Streitkräfte aufstieg, blieb Matthei konservativ. Der 11. September 1973 spaltete nicht nur die chilenische Gesellschaft, sondern auch die Freundschaft der beiden. Alberto Bachelet wurde unter Pinochet gefoltert und starb kurze Zeit später an einem Herzinfarkt. Matthei hingegen stieg in Pinochets Militärjunta auf und wurde 1976 Gesundheitsminister.
Heute sind es die Kinderärztin und UN-Beauftragte für Frauenrechte, Michelle Bachelet, und die Unternehmerin und (bis August 2013) Arbeitsministerin Evelyn Matthei, die als Konkurrentinnen antreten und so Spiegelbild der chilenischen Gesellschaft sind. „Trotzdem sollte dieses Sinnbild unserer Vergangenheit nicht überbewertet werden“, warnt die in Santiago lebende Chilenin und Journalistin Carolina Fonck. Die Geschichte der Frauen sei für die Presse ein „gefundenes Fressen“, die Lebensläufe eignen sich hervorragend, um Parallelen herzustellen. Aber: „Heute ist nicht damals“, sagt auch die in Würzburg lebende Chilenin Paula García. Es gebe mehr als nur zwei Kandidaten, auch die müssten in Augenschein genommen werden.
Fakt ist, dass nach einer aktuellen Wahlumfrage vom Centro de Estudios Públicos (CEP) die Sozialistin und Ex-Staatschefin Bachelet mit 47 Prozent der Stimmen vorne liegt. Die Opposition hofft, dass sie schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht und ihr eine Stichwahl am 15. Dezember erspart bleibt. An zweiter Stelle folgt mit 14 Prozent Evelyn Matthei, gefolgt von dem unabhängigen Franco Parisi mit zehn Prozent. Eine Umfrage der konservativen Zeitung „El Mercurio“ sah Matthei zuletzt bei 21,7 Prozent.
Wahlpflicht abgeschafft
Ungewiss ist, wie viele Chilenen wirklich an die Wahlurne gehen. Denn: Zum ersten Mal können sie das selbst entscheiden, weil die Wahlpflicht abgeschafft wurde. „Umfragen besagen, dass knapp 50 Prozent der Chilenen wählen wollen“, sagt die Journalistin Fonck. Sie selbst hat sich für einen Außenseiter entschieden, den Kandidaten der chilenischen Grünen, Alfredo Sfeir. „Wir müssen in Chile Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz verstärkt angehen“, so Fonck.
Neben dem Präsidenten werden in knapp zwei Wochen Parlamentsabgeordnete, Senatoren und Regionalbeauftragte gewählt. Für Paula García ist es eine historische Wahl. Durch die Kampagne „Marca tu voto“ können die Chilenen mit den Initialen „AC“ kennzeichnen, dass sie bei einer kommenden Verfassungsänderung mitbestimmen wollen. Die bisherige Verfassung wurde unter Pinochet 1980 verabschiedet – daran mitgearbeitet hatte auch der Würzburger Völkerrechtler Dieter Blumenwitz (wir berichteten). „Wenn wir die Mitbestimmung erreichen, können wir endlich einen Schlussstrich unter die Diktatur ziehen“, so García.