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LONDON/CHEQUERS
Risse in Beziehung zwischen London und Washington
US-Präsident Trump in Großbritannien - Protest       -  Teilnehmer der Demonstration „Stop Trump; Women's March“ protestierten am Freitag in London gegen den Besuch des US-Präsidenten.
Foto: Kirsty O'connor, dpa | Teilnehmer der Demonstration „Stop Trump; Women's March“ protestierten am Freitag in London gegen den Besuch des US-Präsidenten.
byl
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:55 Uhr

Es lohnte sich irgendwann nicht mehr zu zählen, wie häufig das Wort „special“ während dieser ohne Zweifel außergewöhnlichen Pressekonferenz fiel. Vor prächtiger Kulisse des Herrenhauses in Chequers, dem Landsitz von Premierministerin Theresa May, überschüttete US-Präsident Donald Trump seine britische Kollegin geradezu mit Lob und Zuneigung, pries nicht nur sie als „unglaubliche Frau“, sondern auch jene „special relationship“ zwischen den beiden Ländern, auf die insbesondere die Briten stets so stolz verweisen. „Wir feiern unsere besondere Beziehung“, sagte Trump also am zweiten Tag seines „Arbeitsbesuchs“ im Königreich und redete später von der „höchsten Stufe von special“. Die Reporter konnten ihr Erstaunen über dieses Schauspiel kaum verbergen.

Interview führt zum Eklat

Denn die betont zur Schau gestellte Eintracht und all die Bekenntnisse vermochten die tiefen Risse nicht zu übertünchen, die das Verhältnis zwischen London und Washington erhalten hat – insbesondere seit der Veröffentlichung von Trumps Interview mit der Boulevardzeitung „The Sun“, mit dem er einen diplomatischen Eklat verursachte. In diesem attackierte er die britische Regierungschefin scharf. Vorab-Ausschnitte aus dem Gespräch wurden ausgerechnet am Donnerstagabend öffentlich, als Trump und seine Frau Melania noch bei einem Gala-Dinner im Blenheim Palace, dem Geburtsort von Winston Churchill nahe Oxford, weilten. May ließ den roten Teppich ausrollen, eine rotuniformierte Militärkapelle aufspielen und eine pompöse Zeremonie abhalten, bevor sie in festlichem Rahmen die enge und lange Freundschaft beider Staaten pries. Um nur kurz darauf von jenem Interview zu erfahren, in dem Trump ihre Brexit-Strategie verurteilte und die Premierministerin bloßstellte. Nach Freundschaft klang das alles nicht.

Öl ins Brexit-Feuer gegossen

Die moderate Brexit-Haltung von May werde laut Trump die Chancen auf ein bilaterales Handelsabkommen „wahrscheinlich killen“. Mit einem Austrittskurs, wie die britische Regierung ihn diese Woche vorgeschlagen hat und wegen dem sowohl Außenminister Boris Johnson als auch Brexit-Minister David Davis zurückgetreten waren, würde man „mit der EU einen Deal machen anstatt mit dem Vereinigten Königreich“, so Trump. Er habe ihr gesagt, wie Großbritannien die EU verlassen solle. Doch May habe seine Ratschläge ignoriert. Damit goss er weiter Öl ins Brexit-Feuer, das in der konservativen Partei ohnehin lichterloh brennt. Hardliner der Tories betrachten die Strategie von May als zu „weich“.

Als hätte Trump nicht schon genug mit dem Protokoll gebrochen, lobte er dann auch noch den erst zurückgetretenen Brexit-Anhänger Boris Johnson, einen der größten Widersacher von Theresa May. Dieser „wäre ein großartiger Premierminister“, so der US-Präsident. Ein Affront gegenüber der angeschlagenen Regierungschefin.

Gestern Nachmittag folgte dann die Kehrtwende. In einem bizarren Schritt bezeichnete Trump seine eigenen Aussagen als „Fake News“, obwohl Audio-Mitschnitte des Interviews, das „on the record“ geführt wurde, bereits veröffentlicht waren. Jene Sätze aus dem Original-Gespräch, die schlichtweg Entsetzen auf der Insel auslösten, liefen in allen Medien hoch und runter als Beweis für deren Echtheit. Das schien Trump jedoch nicht zu kümmern. „Ich habe die Premierministerin nicht kritisiert, sondern habe großen Respekt“, sagte er. Das Interview habe sein Lob für May weggelassen. „So was nennt man Fake News.“

Zehntausende protestierten

Während das Ehepaar Trump zum Nachmittagstee mit Königin Elizabeth II. eingeladen war, zogen Zehntausende Menschen durch Londons Innenstadt in Richtung Parliament Square am Westminster-Palast. „Wir protestieren gegen diese spaltende, frauenverachtende, diskriminierende und rassistische Politik des US-Präsidenten“, sagte eine Demonstrantin, die ein Plakat in der Hand trug, auf dem in roter Schrift die Worte „Trump? Not welcome“ prangten. „Es ist peinlich, wie sich die Regierung anbiedert“, so die Britin.

 
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