Mit einem Aufruf zu mehr Gemeinsinn in Deutschland hat Joachim Gauck sein Amt als Bundespräsident angetreten. Als Bürger der ehemaligen DDR habe er zu lange auf das Glück, sich selbst engagieren zu können, warten müssen als das er jemals die Ohnmacht zuvor vergessen könnte, sagte der 72-Jährige nach seiner Wahl.
Die vielen Erwartungen, die an seine Person und an seine Präsidentschaft gerichtet sind, werde er zwar kaum erfüllen können. „Aber eins kann ich versprechen: dass ich mit allen meinen Kräften und mit meinem Herzen Ja sage zu der Verantwortung.“ Gauck hatte in der Bundesversammlung zuvor 991 von insgesamt 1232 Stimmen erhalten. Der frühere Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde ist das erste Staatsoberhaupt in Deutschland, das vor seiner Wahl keiner Partei angehörte, und das erste aus den neuen Ländern. Gauck arbeitete bis zur Wende als evangelischer Pfarrer in Rostock.
Bundesweit bekannt wurde er als erster Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, die er von 1990 bis zum Jahr 2000 leitete und prägte. Dass nun zwei Persönlichkeiten aus dem Osten des Landes an dessen Spitze stünden, sei auch das Zeichen einer gelungenen Einheit, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Gauck selbst sprach von „unendlicher Dankbarkeit“. Die breite Unterstützung gebe ihm die „Hoffnung auf eine Annäherung zwischen der Regierung und der Bevölkerung“. Niemand in Deutschland dürfe die Verantwortung scheuen. Den, der gestalte, und den, der abseits stehe, verbinde schließlich eines: „Beide haben sie Kinder. Ihnen werden wir dieses Land übergeben.“
Mit einem Ergebnis von rund 80 Prozent schnitt Gauck etwas schlechter ab als erwartet: Mehr als 100 Delegierte von Union, FDP, Sozialdemokraten und Grünen, die den 72-Jährigen gemeinsam nominiert hatten, enthielten sich. Die Kandidatin der Linken, die Journalistin Beate Klarsfeld, erhielt 126 Stimmen, der von der NPD benannte Historiker Olaf Rose drei Stimmen. Als Wunschziel für seine erste Auslandsreise nannte Gauck Polen.
Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte zuvor noch einmal heftig den Umgang von Politik und Medien mit dem Fall des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff kritisiert. Wörtlich sagte er: „Manches war weder notwendig noch angemessen, sondern würdelos. Von der zunehmenden Enthemmung im Internet im Schutze einer tapfer verteidigten Anonymität gar nicht zu reden.“ Demokratie basiere auch auf dem Vertrauen in ihre Repräsentanten, betonte Lammert. Dies gelte ganz besonders für das Amt des Bundespräsidenten.