Es geht um eine Hotelrechnung, um Babysitter-Kosten und Getränke auf dem Oktoberfest. Dass Ex-Bundespräsident Christian Wulff diese Vorteile bewusst und zu Unrecht annahm, hat das Verfahren gegen ihn bisher nicht aufgedeckt. Jetzt will der Richter den Prozess abkürzen. Richter Frank Rosenow scheint ein fröhlicher Mensch zu sein. Seit Beginn des Korruptionsprozesses gegen Wulff lächelt er viel, immer wieder lacht er sogar laut los. Während Wulffs Verteidiger und auch ihr Mandant am neunten Verhandlungstag im Landgericht Hannover einige Male zurücklächeln, verzieht Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer meist keine Miene. Der Chefermittler kann nicht erfreut sein, dass aus Sicht vieler Prozessbeobachter inzwischen alles auf einen Freispruch für Wulff hindeutet.
In seinem Zwischenfazit kurz vor Weihnachten hatte Rosenow unmissverständlich klargemacht, dass er für den Vorwurf der Vorteilsannahme bei Wulff laut Aktenlage und bisheriger Zeugenaussagen keine Belege sieht. Rund zwei Stunden lang befragt der Kammervorsitzende am Donnerstag kritisch den Ermittlungsleiter der Polizei. Hat sich Wulff tatsächlich bei der Siemens-Spitze für das Filmprojekt „John Rabe“ eingesetzt, weil ihn Filmunternehmer David Groenewold zuvor zum Oktoberfest eingeladen hat? Profitierte Groenewold überhaupt persönlich von einem Erfolg des Projekts?
Zu dem Verhältnis des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und Groenewold sagt der Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) nur vage: „Es geht hier um Über-die-Jahre-bei-Laune-halten.“
Ob Wulff und seine spätere Ehefrau Bettina 2007 auf Sylt von Groenewold bezahlte „Ganzkörpermassagen“ in Anspruch nahmen, sei nicht belegbar gewesen. Der LKA-Beamte verweist an vielen Punkten auf die Akten und auf seinen Kollegen, der am 9. Januar als wahrscheinlich letzter Zeuge gehört werden soll.
„Die Vernehmung heute hat nichts richtig Überraschendes ergeben“, bilanziert Rosenow. Die Kammer wolle beim nächsten Mal die Beweisaufnahme schließen und mit den Plädoyers beginnen. „Für Plädoyers stünden wir zur Verfügung“, sagt Wulffs Verteidiger Bernd Müssig lächelnd. Rosenow hat vor, kurzen Prozess zu machen – noch vor dem 22. Januar soll das Urteil fallen.
Wie sich die Staatsanwaltschaft zu diesen Plänen verhalten wird, ist noch völlig offen. Sie könnte versuchen, mit Beweisanträgen durchzusetzen, dass weitere ursprünglich vorgesehene Zeugen gehört werden. Dann müsste sie aber Gründe dafür vorbringen, dass deren Aussagen dem Prozess eine neue Wendung geben. Die mehr als 20 Zeugen haben im Hauptverfahren bisher grundsätzlich die Version der Verteidigung gestützt. So bestätigten mehrere Mitarbeiter des Luxushotels „Bayerischer Hof“, dass Wulff beim Auschecken nichts davon mitbekommen haben musste, dass Groenewold Teile seiner Rechnung übernommen hatte. Das auf dem Oktoberfest spendierte Essen, unter anderem ein Champagner für Bettina Wulff zum Anstoßen, stufte das Gericht als „sozialadäquat“ ein – als unter Freunden üblich.
Von den Vorwürfen, die seit Ende 2011 gegen den damaligen Bundespräsidenten erhoben wurden, ist nicht viel geblieben. Im Prozess geht es um rund 720 Euro. Möglicherweise bleibt am Ende gar nichts von den Anklagepunkten übrig. Damit wäre Wulffs Strategie aufgegangen. Beim Prozessbeginn am 14. November hatte er gesagt: „Aber ich bin mir ganz sicher, dass ich auch den allerletzten Vorwurf ausräumen werde, weil ich mich immer korrekt verhalten habe.“