Die Lohrer Bosch Rexroth AG zieht sich aus dem Wüstenstromprojekt Desertec zurück. Rexroth ist seit 2009 föderatives Mitglied in der Initiative, lässt den Vertrag zum Jahresende aber auslaufen. Das bestätigte Unternehmenssprecherin Jana Ullsperger dieser Zeitung. Desertec soll Europa mit Solarstrom aus der Wüste versorgen.
Ende 2009 hatten europäische und nordafrikanische Länder mit dem Projekt begonnen, das als ehrgeiziges Infrastruktur-Vorhaben mit 400 Milliarden Euro geplanter Investition große Beachtung findet. Bis 2050 sollen Windparks und Solarkraftwerke entstehen, die einen Großteil des nordafrikanischen und europäischen Stromverbrauchs decken sollen.
Anders als bei Siemens, das Gesellschafter der Desertec-Initiative ist, war Rexroth deutlich weniger stark mit dem Wüstenstromprojekt verbunden. Die Kooperation beschränkte sich auf die Teilnahme einzelner Mitarbeiter an Fachtagungen und Workshops. Dabei haben Experten von Rexroth beratend am Wissensaustausch rund um die Solartechnologie mitgewirkt.
Die Lohrer Spezialisten für Antriebe und Steuerungen sind auf dem Feld der Solarenergie durch den Bau von Trägerkonstruktionen tätig. Mit deren Hilfe werden Solarmodule am Sonnenstand ausgerichtet. Dass Rexroth sich zurückzieht, hängt nach Aussage der Unternehmenssprecherin mit der derzeit schwächelnden Konjunktur zusammen.
Grundsätzlich prüfe Rexroth jedes Jahr, welche Kooperationen und Beteiligungen weitergeführt oder beendet werden sollen. In wirtschaftlich schlechteren Zeiten werde dabei eben kritischer geprüft als sonst.
Dass es beim größten industriellen Arbeitgeber Unterfrankens wirtschaftlich nicht so rund läuft wie im Rekordjahr 2011, ist bekannt. Aktuell arbeiten an den Rexroth-Standorten in Volkach und Schweinfurt von 2100 Mitarbeitern rund 1200 kurz. Von der Kurzarbeit deutlich weniger betroffen ist der Stammsitz in Lohr. Von den 6400 Mitarbeitern dort arbeiten in der Gießerei 250 kurz.
Die Beendigung des Desertec-Engagements hat laut Ullsperger keine personellen Konsequenzen: „Es verliert deswegen niemand seine Arbeit.“ Der Rückzug bedeute nicht den Abschied von der Solartechnologie. Andere Kooperationen, die man als sinnvoller einschätzt, würden fortgeführt – etwa die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das die von Rexroth entwickelten Steuerungen und Antriebe für Solarmodule prüft.
Bosch Rexroth beschäftigt in Deutschland knapp 20 000 und weltweit über 38 400 Mitarbeiter. 2011 erwirtschaftete der Spezialist für hydraulische Antriebe und Steuerungen einen Rekordumsatz von 6,4 Milliarden Euro.
Während sich namhafte deutsche Konzerne aus dem Projekt verabschieden, sieht man das in USA und China ganz anders. Ein Desertec-Sprecher in München hatte erst vor wenigen Tagen Verhandlungen mit der US-Firma First Solar sowie dem chinesischen Netzbetreiber State Grid Corporation of China (SGCC) bestätigt. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Jahresbericht der internationalen Energie-Agentur (IAE) besondere Bedeutung. Sie kritisiert in ihrem Energieausblick 2012, dass die ökonomischen Potenziale von Energieeinsparungen kaum ausgeschöpft würden. IEA-Chefökonom Fatih Birol sagte in Berlin: Mit den bestehenden Möglichkeiten und einer klügeren Politik könne der Verbrauch in der Industrie um 40, im Transport- und Verkehrswesen um 38 und bei der Stromerzeugung um knapp 20 Prozent gesenkt werden. Mit relativ einfachen Mitteln könne die Energieversorgung gesichert und ein weiterer drastischer Klimawandel verhindert werden.
Die Wachstumsrate beim Energiebedarf könne mit ökonomisch sinnvollen Energieeinsparungen – deren Kosten binnen vier oder fünf Jahren wieder eingespielt sein würden – bis 2035 bei gleichem Lebensstandard halbiert werden. Aber bislang hätten nur Deutschland und Japan die Weichen dafür nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima richtig gestellt. Der Bau neuer Atomkraftwerke werde aufgrund des Unfalls gebremst vorangehen, weil China, Korea, Indien und Russland weitere Neubauten planten.
Durch Energiesparen in der ganzen Welt verlängere sich das Zeitfenster, in dem der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt und das internationale Ziel, um fünf Jahre die Erwärmung der Erdatmosphäre auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, weiter ernsthaft verfolgt werden könne. Selbst wenn keine neuen Kraftwerke oder Autos mehr gebaut würden, gebe es nur noch bis 2017 Zeit, um den Punkt zu verhindern, ab dem sich die Temperatur weltweit unaufhaltsam erhöhe.
Birol plädiert für weitere Subventionen für erneuerbare Energien. Er verstehe angesichts des Spardrucks in vielen Ländern die Bedenken gegen staatliche Hilfen. Aber wenn die junge Solar- und Windenergie-Industrie absterbe, werde sie kaum je wieder auf die Beine kommen.
China werde künftig vor Europa, Japan und den USA bei den „Erneuerbaren“ führen. Gleichzeitig werde China größter Energieverbraucher und seinen Bedarf zu einem Drittel mit Kohle decken. „Bis 2035 gehen 90 Prozent der Ölproduktion aus dem Nahen Osten nach Asien“, erläuterte Birol. China habe vor allem Irak daher als Investitionsland im Visier. Das Land werde bis 2020 seine Ölförderung verdoppeln und den Preis dafür 15-mal günstiger halten können als vergleichbare Länder.
Mit Informationen von dpa