
Die Renten sind sicher wie lange nicht: Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt hat den erfreulichen Effekt für die Rentenkassen, dass deren „Notgroschen“, die Nachhaltigkeitsrücklage, auf 29,5 Milliarden Euro gestiegen ist und bis zum Jahresende gar 31 Milliarden Euro erreichen könnte. Das sind 1,7 Monatsausgaben, der höchste Stand seit 20 Jahren. Diese Zahlen legte Alexander Gunkel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Rentenversicherung, beim bundesweiten Presseseminar in Würzburg vor. Freilich weckt so viel Geld Begehrlichkeiten. Wer soll profitieren?
Da sind die Versicherten: Sie können darauf pochen, dass die Rechtslage vorschreibt, bei einer so hohen Nachhaltigkeitsrücklage den Beitragssatz zu senken. Doch sitzen Union und SPD in Koalitionsverhandlungen – und so sind viele politische Weichenstellungen offen, wie Gunkel betont.
Aus aktuellem Anlass: Just am Morgen vor dem Seminar hatte die „Bild“-Zeitung verbreitet, die künftige Koalition wolle „zusätzliche Rentenleistungen“ vereinbaren. „Deshalb ist es besser, vorerst keine Rentenbeitragssenkung zu beschließen“, wird die SPD-Expertin Elke Ferner zitiert. Nach den Berechnungen der Rentenversicherung aber könnte der Beitragssatz von derzeit 18,9 Prozent auf 18,3 Prozent sinken, Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden damit sechs Milliarden Euro im Jahr sparen. Ein Durchschnittsverdiener müsste rund acht Euro weniger zahlen. Für eine solche Senkung ist die Arbeitgeberseite, dagegen ist der Deutsche Gewerkschaftsbund.
Auf der anderen Seite wären aufgrund der Lohnentwicklung Rentenerhöhungen möglich: Sie kommen den Senioren zugute, die in den vergangenen Jahren Nullrunden schlucken mussten oder nur geringe Erhöhungen verbuchen konnten – zuletzt gerade mal 0,25 Prozent.
Gunkel wollte sich jedoch nicht auf die sonst üblichen Prognosen zur Rentenerhöhung einlassen – mit Verweis auf die noch unklare politische Lage und auf noch ausstehende Zahlen zur Lohnentwicklung. Immerhin: Der Prognose der Bundesregierung, 2014 werde der Rentenzuwachs zwischen 2,0 und 2,5 Prozent liegen, wollte er nicht widersprechen. Ein Durchschnittsrentner hätte 24 bis 30 Euro mehr.
Der gut gefüllte Topf der Nachhaltigkeitsrücklage lockt ferner die Union, die die Verbesserung bei den Mütterrenten vor allem daraus finanzieren will – ein Ansinnen, dem die Rentenversicherung heftig widerspricht. Diskutiert wird die Ausweitung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten für Geburten vor dem Jahr 1992 von einem auf zwei oder drei Jahre. Die Folge: „Erhebliche Mehraufwendungen für die Rentenversicherung“, die Gunkel für jedes Jahr, das aufgestockt wird, auf 6,5 Milliarden Euro beziffert. „Nach den Vorstellungen von CDU und CSU sollen die zusätzlichen Ausgaben aus den Mitteln der Rentenversicherung finanziert werden“, so Gunkel. Würden die Mütterrenten auf drei Jahre aufgestockt, so wäre die Nachhaltigkeitsrücklage nach zweieinhalb Jahren aufgebraucht. Sie dürfe jedoch auf keinen Fall „für nicht beitragsgedeckte Leistungen missbraucht“ werden. Das Geld müsse aus dem Steuertopf kommen.
Milliarden für Millionen
Die Rentenkasse ist gut gefüllt: An Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern flossen 2012 etwa 174 Milliarden Euro. Dazu kommen 19 Milliarden Euro für Bezieher von Arbeitslosen- und Krankengeld und Beiträge des Bundes für Kindererziehungszeiten. Aus Steuermitteln stammt der Bundeszuschuss von 60 Milliarden Euro. Macht mit den übrigen Einnahmen 254 Milliarden Euro.
Ausgezahlt wurden an rund 20,6 Millionen Rentner 216 Milliarden Euro.
Der zweitgrößte Ausgabenblock sind die Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner mit gut 15 Milliarden Euro. 8,5 Milliarden Euro sind Erstattungen an die Knappschaftsversicherung. Für Rehabilitation wurden 5,6 Milliarden Euro ausgegeben. Für Verwaltung und Verfahren mussten 3,5 Milliarden Euro aufgewendet werden.
Die Nachhaltigkeitsrücklage soll Schwankungen in den Einnahmen ausgleichen und die Zahlungsfähigkeit sichern. Sie soll zwischen 20 und 150 Prozent einer Monatsausgabe liegen. 2012 ging ein Saldo von fünf Milliarden auf dieses Konto.