Es ist die wohl größte Essensausgabe der Welt. Künftig haben mehr als 820 Millionen Inder – das ist ein Neuntel der globalen Bevölkerung – Anspruch auf Getreide zu Niedrigpreisen. Zwei Drittel der Bevölkerung sollen bald ein Kilogramm Reis für drei Rupien (vier Cent) erhalten, Weizen für zwei Rupien und andere Getreidesorten für eine Rupie – insgesamt fünf Kilogramm pro Kopf und Monat. „Wir haben das Gesetz kreiert, damit niemand mehr hungert und kein Kind ohne Essen schläft“, sagte die Vorsitzende der regierenden Kongresspartei, Sonia Gandhi.
Das Gesetz wurde in der Nacht zum Dienstag vom Unterhaus verabschiedet. Letztendlich schwenkte die Opposition ein – schließlich wird in dem 1,2 Milliarden Einwohner zählenden Land in ein paar Monaten gewählt. Jede Partei schielt auf die Stimmen der Bedürftigen, denn 22 Prozent leben unter der Armutsgrenze. Kritiker halten das Vorhaben wegen der schlechten Infrastruktur in Indien für kaum umsetzbar. Bei ähnlichen Programmen wurde das hoch subventionierte Getreide immer wieder auf regulären Märkten entdeckt. Das bisherige System sei von Löchern und Ineffizienz sowie „großflächiger Korruption“ geprägt, schreibt die für das Gesetz eingerichtete Expertenkommission. Schon jetzt komme das Getreide oft nicht da an, wo es sollte.
In Indien sind trotz des starken Wirtschaftswachstums der vergangenen zwei Jahrzehnte laut UNICEF noch immer etwa die Hälfte der Kinder unterernährt und zu klein. „Und auch das neue Gesetz ist weit davon entfernt, Ernährungssicherheit zu bieten“, meint Nivedita Varshneya von der Welthungerhilfe in Indien. So werde zum Beispiel nur Getreide verteilt, nicht aber Linsen, Öle, Früchte, Gemüse und Milchprodukte. Auch bemängelt Varshneya, dass die Agrarkrise des Landes und der ungleich verteilte Zugang zu Essen nicht angegangen werden.
Unklar bleibt, woher die 61,2 Millionen Tonnen Getreide kommen sollen und wie sie verteilt werden. Sogar die Zentralbank äußert Bedenken: Der Getreidekauf durch den Staat werde die Marktpreise in die Höhe treiben, erklärte der technische Beirat. Kopfzerbrechen bereitet vielen die Finanzierung. Umgerechnet mehr als 15 Milliarden Euro soll das neue Programm jährlich kosten, derzeit werden Schätzungen zufolge 10,5 Milliarden für die Nahrungsprogramme ausgegeben.
Premierminister Manmohan Singh bezeichnete es als „sehr wichtige Gesetzgebung für die Regierung“. Tatsächlich, meinen Kritiker, könne das Gesetz mehr der Partei als den Armen helfen. Bei der vergangenen Wahl im Jahr 2009 ging eine ähnliche Rechnung auf: Damals war das weltgrößte Sozialprogramm eingeführt worden, das den Armen 100 Tage im Jahr Arbeit garantiert.