Peter Bofinger ziert sich. Ein Gespräch über den Protestaufruf seiner Kollegen? „Muss das sein?“ Der Inhaber des Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre I an der Universität sorgt sich um den Eindruck, den die Würzburger Wirtschaftswissenschaften vor Ort machen, wenn drei Professoren den offenen Brief unterzeichnen, einer aber öffentlich massiv dagegen wettert. „Wir arbeiten sehr kollegial zusammen, auch wenn wir unterschiedliche Meinungen zu einzelnen Sachverhalten haben“, versichert der Wirtschaftsweise. Gleichwohl hält er mit seiner Kritik an dem Protestaufruf nicht hinterm Berg.
Der Brief, so Bofinger, sei „reines Jammern und Klagen“, er bediene nur Emotionen und entspreche „nicht dem Standard für wissenschaftliche Stellungnahmen“. Wenn die Kritiker sagen, die Euro-Rettungsmaßnahmen der EU-Regierungschefs dienten letztlich der Wall Street oder der City of London baue man „unhaltbare Verschwörungstheorien“ auf.
Richtiger sei vielmehr, dass durch eine erweiterte Bankenhaftung, wie sie in Brüssel beschlossen wurde, eher verhindert werden könne, dass systemrelevante Banken ins Chaos stürzen – und mit ihnen auch viele Geldinstitute hierzulande. Die Konsequenzen eines solchen Zusammenbruchs für die deutschen Steuerzahler wolle er sich gar nicht ausmalen. „Das kann doch niemand ernsthaft wollen.“
War also der Gipfel von Brüssel aus Bofingers Sicht ein Erfolg? „Ich würde sagen, der ging 0:0 aus. Es hat sich substanziell nichts geändert, weder zum Positiven noch zum Negativen.“ Von einer Verschärfung der Krise könne keine Rede sein, die Wirkung von Gipfeltreffen ist aus seiner Sicht „sehr begrenzt“.
Grundsätzlich finde er es richtig, sagt Bofinger, Ländern wie Italien unter die Arme zu greifen. Damit werde die Reformpolitik der Regierung Monti unterstützt. Diese habe „schmerzhafte Reformen“ auf dem Arbeitsmarkt und in der Steuerpolitik durchgesetzt. Wenn die Finanzmärkte das nicht honorierten, müsse das Land „im Sinne von Fordern und Fördern“ die Möglichkeit bekommen, über den Rettungsfonds ESM Geld zu günstigeren Zinsen zu bekommen.
Der Wirtschaftsweise fordert seine Kollegen auf, statt Ängste zu schüren gemeinsam an einer „klaren wissenschaftlichen Diagnose“ der Lage zu arbeiten. Dann könne man auch über Lösungen streiten. Ein Patentrezept zur Überwindung der Krise gebe es nicht. Solidarische Lösungen seien gefragt. Fotos: M. Harth, T. Obermeier, Thinkstock; Montagen: D. Biscan