Was die Regierungsbildung betrifft, ist Österreich gleich mehrere Schritte weiter als Deutschland: Nach intensiven Koalitionsverhandlungen haben die vermutlich künftigen österreichischen Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ gestern erste Leitlinien für ihre geplante Regierungszusammenarbeit präsentiert.
„Es wird versucht werden, das Ausgabenproblem, das wir in Österreich haben, in den Griff zu bekommen, damit wir die geplante Steuer- und Abgabenentlastung auf deutsches Niveau verwirklichen können“, sagte der ÖVP-Chef und Außenminister Sebastian Kurz. Derzeit seien Ausgaben in Höhe von mehreren Milliarden Euro im Haushalt für 2018 nicht gegenfinanziert. Das habe der „Kassensturz“ ergeben, den die künftigen Koalitionspartner zu Beginn ihrer Verhandlungen vorgenommen hätten.
Geleitet werden die Verhandlungen von einer achtköpfigen sogenannten Steuerungsgruppe. Dazu gehören neben Kurz (ÖVP) und Strache (FPÖ) unter anderem auch die ÖVP-Generalsekretäre Elisabeth Köstinger und der FPÖ-Vize und knapp geschlagene Kandidat für das Bundespräsidentenamt, Norbert Hofer. Unterhalb der Steuerungsgruppe wurden fünf sogenannte „Cluster-“ und darunter 25 Fachgruppen gebildet, die die einzelnen Themengruppen verhandeln.
Schon zu Beginn der Gespräche zeigte sich, dass die mögliche neue Koalition einige einschneidende Entscheidungen der vorigen Regierung rückgängig machen könnte. Dazu gehört ein Förderungsprogramm für Langzeitarbeitslose, die älter als 50 Jahre sind. Im Jahr 2018 sollten auf Beschluss der Koalition aus SPÖ und ÖVP rund 20 000 tarifvertraglich entlohnte Arbeitsplätze für ältere Langzeitarbeitslose geschaffen werden. Das Programm hat im Juli begonnen, bereits 1200 Personen wurden vermittelt, 900 weitere Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt. Auch die Unterstützung für Asylbewerber und Flüchtlinge soll gesenkt werden.
Über Personalfragen sind bisher noch keine konkreten Informationen an die Öffentlichkeit gelangt. Möglich ist, dass Sebastian Kurz als einziger aus der Regierung von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) auch im künftigen Kabinett sitzen wird. Wirtschaftsminister Harald Mahrer, der ein Vertrauter Kurz? ist, hat sich bereits in Richtung Wirtschaftskammer verabschiedet. Dies ist eine für die ÖVP sehr wichtige Position, weil die Koalition beabsichtigt, das österreichische Kammersystem mit seiner Zwangsmitgliedschaft in Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer abzuschaffen.