Die Aufständischen sind am Ende, Aleppo steht vor dem Fall. Wer noch lebt, schickt per Twitter, Whatsapp oder Facebook letzte Abschiedsworte an Freunde und Familie. „Ich warte darauf, zu sterben oder vom Assad-Regime gefangen zu werden“, schrieb der Fotograf Ameen al-Halabi. „Betet für mich und erinnert euch immer an uns“.
Atemlos berichtete ein anderer Aktivist in seine Handykamera, während über seinem Kopf russische und syrische Jagdbomber hinwegdonnerten. „Hier herrscht totales Chaos. Tote liegen auf den Straßen. Verletzte verbluten, weil kein Arzt ihnen mehr helfen kann“, sagte er. Menschen sind unter zerbombten Ruinen eingeklemmt und schreien verzweifelt um Hilfe. Die Weißhelme jedoch können nichts mehr tun, weil sämtliche Fahrzeuge zerstört und die Retter in alle Winde zerstreut sind. „Unser Schicksal ist besiegelt“, erklärte der Sprecher der Zivilschützer, die erst vor drei Monaten mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden waren.
Wie diese Aktivisten kauern derzeit noch Zehntausende Verzweifelte in den Ruinen, suchen Deckung vor den barbarischen Bombenangriffen, haben nichts mehr zu essen und warten auf ihr Schicksal. „Wir sind von der Landkarte der Menschheit getilgt“, twitterte einer. Denn die angreifenden Assad-Truppen gehen mit äußerster Brutalität vor, durchkämmen systematisch die frisch eroberten Viertel.
Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Menschenrechte haben sie in den letzten 48 Stunden bereits 82 Menschen exekutiert, darunter auch Frauen und Kinder. Aktivisten vor Ort sprechen sogar von 180 bis 200 Hingerichteten. Die Informationen seien glaubwürdig und man kenne die Namen der Opfer, erklärte UN-Sprecher Rupert Colville in Genf. Die Vereinten Nationen hätten schlimmste Befürchtungen für alle, die sich noch „in den letzten höllischen Ecken des aufständischen Ost-Aleppos“ befänden. Man habe Berichte erhalten, „dass Pro-Assad-Kräfte in Wohnungen eindringen und alle töten, die sie vorfinden“, sagte er. Andere hätten zunächst fliehen können, seien dann offenbar eingeholt, verhaftet oder auf der Stelle erschossen worden. Bereits in den letzten Tagen wurden nach UN-Angaben mindestens 500 Männer, die von der Rebellenenklave in den Regimeteil Aleppos geflohen sind, verhaftet und sind seitdem spurlos verschwunden.
Andere wurden sofort als Soldaten zwangsrekrutiert.
Assad-Armee triumphiert
Die syrische Armee mit ihren verbündeten Milizionären hat mittlerweile nahezu den gesamten Osten Aleppos zurückerobert. Man kontrolliere jetzt 99 Prozent der Enklave, brüsteten sich Kommandeure im Staatsfernsehen, während Bewohner der Pro-Assad-Bezirke den Sieg mit Schokolade und Gewehrsalven feierten. Dagegen drängen sich in den letzten noch verbliebenen Straßenzügen der Aufständischen Zehntausende Menschen, die sich weigern, in den vom Regime kontrollierten Westen zu gehen. „Auf acht Quadratkilometer hausen jetzt 80 000 Menschen, alle kreuz und quer übereinander“, beschrieb ein syrischer Arzt die Zustände. Sollte das Regime auch hierhin vorrücken, werde es ein Massaker geben.
Am Abend hieß es, Rebellen in Ost-Aleppo hätten sich mit der syrischen Regierung auf einen Abzug aus der erbittert umkämpften Stadt geeinigt. Zivilisten und einigen Kämpfern werde es erlaubt, die Stadt zu verlassen, sagte ein Sprecher der wichtigen Rebellengruppe Nur al-Din al-Sinki. Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin bestätigte die Übereinkunft der Regierung in Damaskus mit den Rebellen.
„Die Abmachung ist, dass die Kämpfer die Stadt verlassen“, sagte Tschurkin. Die Zivilisten könnten selbst entscheiden, ob sie bleiben wollten oder ob sie in sicherere Gebiete ziehen wollten. „Niemand wird den Zivilisten etwas antun.“
Mit Informationen von dpa