
Holländische Tomaten, griechische Erdbeeren oder deutsche Hähnchen: Der russische Einfuhrstopp für westliche Lebensmittel und Agrarprodukte vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise trifft Bauern und Fleischproduzenten in ganz Europa. Der Exportriese Deutschland dürfte eher glimpflich davonkommen – doch der immer heftigere Handelskrieg zwischen Moskau und der EU verschärft ohnehin wachsende Konjunktursorgen. Einige Antworten auf wichtige Fragen:
Es ist Putins Retourkutsche auf die westlichen Sanktionen. Um Moskau zum Einlenken in der Ukraine-Krise zu zwingen, hatte die EU in der vergangenen Woche erstmals harte Strafmaßnahmen bei Rüstungsgeschäften, Energie und Finanzen beschlossen.
Regierungschef Dmitri Medwedew präsentierte am Donnerstag die mit Spannung erwartete Boykottliste. Die 28 EU-Staaten, die USA, Australien, Kanada und Norwegen dürfen ab sofort kein Fleisch und keine Milchprodukte mehr einführen. Das Verbot gilt für ein Jahr und betrifft auch Obst, Gemüse und Fisch. Schweinefleisch aus Europa stand aber schon seit Ende Januar auf dem Index.
Ja. Wasser, Schokolade, Joghurt oder Fertigprodukte „Made in Germany“ werden ebenfalls aus russischen Supermarkt-Regalen genommen werden.
In Russland sind vor allem Schweinefleisch, Backwaren, Käse und Kakaoprodukte gefragt. Schon länger bestehende Einfuhrverbote haben aber tiefe Spuren in der Bilanz hinterlassen. So brach der deutsche Schweinefleisch-Export nach Russland in den ersten fünf Monaten des Jahres 2014 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 83 000 Tonnen auf 9000 Tonnen ein. Beim Exportprodukt Käse halbierte sich die Ausfuhr, so die Auskunft des Bauernverbands.
Allein griechische Bauern fürchten, auf Erdbeeren, Pfirsichen und Gemüse im Warenwert von 600 Millionen Euro sitzenzubleiben – und fordern Entschädigung aus EU-Töpfen. Auch die Niederlande, Belgien und Frankreich liefern viel Obst und Gemüse nach Russland, das nun wieder auf den europäischen Markt drängt und die Preise drücken könnte. Abzuwarten bleibt, ob der Lebensmittel-Einzelhandel das beim Endpreis an die Verbraucher weitergeben würde.
Moskau wird auf andere Lieferländer ausweichen, etwa mehr Rindfleisch und Geflügel in Lateinamerika einkaufen. Außerdem dürfte der Kreml auch auf den Nebeneffekt setzen, die eigene, oft ineffiziente Agrarwirtschaft auf Vordermann zu bringen. Der Moskauer Analyst Dmitri Polewoj spricht von einer „Schocktherapie“ für Russlands Lebensmittelbranche. Viele Russen fürchten nun allerdings einen schmerzhaften Preisanstieg. „Der Westen trifft mit seinen Sanktionen die russischen Oligarchen, während die russischen Sanktionen das eigene Volk treffen“, kritisierte etwa ein Hörer in einer Diskussion des Radiosenders Echo Moskwy. Dass die Regierung Preiswucher verhindert, so wie es Putins Erlass vorsieht, davon sind nur wenige überzeugt.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) meint, dass die deutsche Wirtschaft trotz der Krisen in der Ukraine und Nahost 2014 um 1,8 Prozent zulegen kann. Viele Ökonomen erwarten einen Dämpfer.
Etwa mit „Hermes-Bürgschaften“. Das sind staatliche Versicherungen für Exporte der Wirtschaft ins Ausland. Firmen nutzen gegen Gebühr das Angebot, um in politisch oder wirtschaftlich unsicheren Ländern Geschäfte zu machen. Zahlt der ausländische Abnehmer nicht, springt der Staat ein. Jährlich stellt der Bund dafür Garantien von etwa 29 Milliarden Euro zur Verfügung.