Es ist nur ein kurzer Satz, mit dem der Beschuldigte viele Hoffnungen zunichte macht: „Ich möchte nicht auf die Frage antworten“, sagt Salah Abdeslam schon bei der Feststellung seiner Personalien. „Das ist meine Verteidigung. Mein Schweigen bedeutet nicht, dass ich schuldig bin. Ich habe keine Angst vor Ihnen. Ich vertraue auf Allah.“ Danach gab es kein Wort mehr von dem 28-jährigen Franzosen, der in der Brüsseler Gemeinde Molenbeek aufwuchs und zeitweise eine Ausbildung bei dem örtlichen Nahverkehrsunternehmen STIB absolvierte.
Lange galt Abdeslam als der meistgesuchte Terrorverdächtige Europas. An den Anschlägen in Paris im November 2015 mit 130 Toten war er beteiligt und überlebte sie – als Einziger des Terrorkommandos. Er tauchte unter, wurde über 100 Tage später in Molenbeek gefasst, wenige Tage vor den Mordanschlägen am Brüsseler Flughafen und auf einen Metro-Zug im März 2016 mit 32 Toten.
Stundenlange Schießerei
Doch diese Gewaltakte sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Bei der Fahndung nach dem Mann mit marokkanischen Wurzeln stießen die belgischen Spezialeinheiten Anfang 2016 in einer Wohnung im Brüsseler Ortsteil Forest auf Spuren zu dem Verdächtigen. Als Polizisten die Wohnungstüren öffnen wollten, wurden sie mit Feuer aus Kalaschnikow-Gewehren empfangen. Die bittere Bilanz der stundenlangen Schießerei: drei verletzte Polizisten, ein getöteter Terrorist. Doch Abdeslam und der jetzt mitangeklagte Sofiane Ayari (24) konnten fliehen.
In Ulm hatte Abdeslam seine Helfer abgeholt. Sie konnten ohne Hindernisse durch Europa reisen, um Anschläge vorzubereiten und Waffen zu beschaffen. Wenige Tage nach dem Schusswechsel stellten Anti-Terror-Einheiten Abdeslam in Molenbeek. Chefankläger Fréderic van Leeuw geht davon aus, dass sich die übrigen Terroristen durch die Verhaftung in die Enge getrieben fühlten und dies der Auslöser für die Brüsseler Anschläge war. Doch bis zum Freitag, wenn das Urteil erwartet wird, geht es nur um die Schießerei von Forest. 40 Jahre Haft drohen Abdeslam. Frankreich, wo er nahe Paris in einem Hochsicherheitsgefängnis einsitzt, hat den Beschuldigten nach Belgien ausgeliehen. Für die Dauer des Prozesses verlegten die Behörden ihn in die Nähe von Lille.
„Selten wurden die Worte eines Mannes zugleich so erwartet, erhofft und gefürchtet“, schrieb am Montag die linksliberale französische Tageszeitung „Liberation“. Das Verfahren gegen Abdeslam sei die letzte Chance, „um die verbleibenden Rätsel um das blutigste Attentat seit 1945 in Frankreich zu lösen“. Doch schon bei den bisherigen Verhören der französischen und belgischen Staatsanwaltschaften schwieg der Mann – wohl auch um gegen seine Haftbedingungen zu protestieren. Konkrete Aussagen zu Hintergründen und Motiven gab es nicht.
Französische Sicherheitskreise halten Abdeslam für suizidgefährdet und haben deshalb eine 24-Stunden-Bewachung angeordnet. Auch sie hoffen noch immer, dass der Angeklagte später vor einem französischen Gericht doch noch auspackt.