zurück
LISSABON
Professor Marcelo und die Macht
lze
 |  aktualisiert: 03.02.2016 03:42 Uhr

Reden kann er wie kein anderer Politiker. Nun muss der konservative Marcelo Rebelo de Sousa beweisen, dass er als künftiger Staatspräsident Portugals in der Lage ist, den schönen Worten Taten folgen zu lassen. Mit 52 Prozent der Stimmen wurde Rebelo de Sousa, populärster politischer TV-Kommentator der Nation, zum neuen Staatschef gewählt. Der 67-jährige Rechtsprofessor versprach noch in der Wahlnacht, „Brücken zu bauen“ und die sozial wie politisch gespaltene Gesellschaft zu versöhnen. Sein schärfster Rivale aus dem sozialistischen Lager, der frühere Uni-Rektor António Sampaio de Nóvoa, kam nur auf 23 Prozent.

Portugals Präsident spielt im Machtgefüge eine wichtige Rolle. Er hat eine Kontrollfunktion, kann Gesetze blockieren und bei Gefahr für die Stabilität sogar die Regierung absetzen. Seit zwei Monaten regiert in Portugal ein sozialistisches Minderheitskabinett – mit scharfem Gegenwind der auf die parlamentarische Oppositionsbank verbannten Konservativen. Sozialistenchef António Costa wird sich mit dem neuen konservativen Staatsoberhaupt Rebelo de Sousa, der seinen ebenfalls konservativen Vorgänger Aníbal Cavaco Silva ablöst, arrangieren müssen.

„Es ist Zeit, dass wir Portugal wieder aufbauen“, sagte Rebelo de Sousa. Jenen südeuropäischen Euro-Krisenstaat, der nach Griechenland das zweitärmste Mitgliedsland der EU ist. Und der im Jahr 2011 mit 78 Milliarden Euro vor der Staatspleite gerettet werden musste. „Wir müssen die Ungerechtigkeiten korrigieren.“ Zum Beispiel die Armut, die in der tiefen Schulden- und Wirtschaftsmisere viele Familien in den Ruin trieb. Oder die Jugendarbeitslosigkeit, die bei 33 Prozent liegt.

Rebelo de Sousa zeigt Verständnis für den radikalen Kurswechsel des sozialistischen Regierungschefs António Costa, der das Ende der bisherigen Austeritätspolitik verkündete und die Erhöhung von Mindestlöhnen, Renten und Beamtengehältern versprach. Die soziale Situation im Land sei schwierig, weiß Rebelo de Sousa. „Portugal hat die schlimmste Krise der letzten 40 Jahre durchgemacht.“ Was auch dazu geführt hat, dass Hunderttausende junge Portugiesen die Koffer packten, um im Ausland ein würdiges Einkommen zu finden.

Der Konservative ließ aber zugleich durchblicken, dass es ein Gleichgewicht zwischen „sozialer Gerechtigkeit und finanzieller Stabilität“ geben müsse. Und hier könnten sich doch in der Zukunft Reibungspunkte ergeben. Denn ob das von der Sozialisten-Regierung ausgerufene Ende der Sparpolitik mit der von Europa geforderten Schuldenreduzierung vereinbar ist, muss sich erst noch zeigen. Die Brüsseler EU-Zentrale bezweifelt dies jedenfalls. Und Rebelo de Sousas konservative Partei warnt ebenfalls vor einem Abgleiten in ein „griechisches Chaos“.

Aber der frischgewählte Staatschef betont nach dem Triumph lieber erst einmal seine Rolle als Landesvater: „Ich werde der Präsident aller Portugiesen sein“, gelobte Marcelo Rebelo de Sousa, der die letzten 15 Jahre als politischer TV-Entertainer Furore machte und den Menschen die Politik, Gott und die Welt erklärte. Nun hat „Professor Marcelo“, wie ihn die Menschen nennen, also einen neuen Job, in dem er sich vor allem als Schiedsrichter sieht, „der zwischen den Parteien vermittelt“.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Aníbal Cavaco Silva
Konservative
Rechtsprofessoren
Regierungschefs
Sozialismus
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen