Ideologisch ist Gauck dem sozialen Konservatismus von Merkel näher als den Sozialdemokraten. Er hegt eine unverblümte Abneigung gegen die Ex-Kommunisten der Partei die Linke. Und er hat noch nie gezögert, Klartext zu reden. Gauck könnte sich als wichtiger Trumpf im Spiel der Kanzlerin erweisen.
„Libération“
Der für seine Reden nach Predigerart berühmte Gauck geht der Kanzlerin auf die Nerven, obwohl er wie sie bereits in der DDR Mitglied der protestantischen Kirche war. Sie weiß nur allzu gut, dass dieser freie Demokrat und Moralprediger nicht zögern wird, die Machenschaften der Regierung und der Opposition anzuprangern.
„Neue Zürcher Zeitung“ (Schweiz)
Es braucht das Wissen eines Ostdeutschen, der seiner Überzeugung auch unter dem Druck von Schikanen der SED-Machthaber nachgelebt hat, um die wahren Schwierigkeiten im Zusammenwachsen zweier unterschiedlicher Gesellschaften zu erkennen und zu benennen. Das wird unbequem sein. Aber vielleicht beruht gerade die Autorität des höchsten deutschen Staatsamts darauf, dass der Inhaber nichts beschönigt.
„de Volkskrant“ (Niederlande)
Am Wochenende sah es so aus, dass Merkel nochmals einen Parteifreund als Bundespräsidenten vorschlagen will. Aber die Zeichen standen beim Koalitionspartner FDP auf Sturm, der gemeinsam mit der Opposition Gauck als Kandidaten wollte. In CDU-Kreisen wird der unerwartete Widerstand der FDP als Verrat an der Koalition betrachtet. Ob er Folgen haben wird, ist noch nicht abzusehen.
„Der Standard“ (Österreich)
Gauck ist ein Hoffnungsträger, der – wie einst der auf die Prager Burg katapultierte Schriftsteller Václav Havel – über sein Land hinaus Strahlkraft entwickeln kann: Einer, der der weitverbreiteten Politikerverdrossenheit nicht nur trotzen kann, sondern der Demokratie neuen Schub verleihen dürfte. Er tritt nicht wie ein Parteienvertreter auf und verkörpert die Sehnsucht nach einer anderen Politik, nach anderen Politikern. Er spricht die Menschen und ihre Probleme direkt an und verschanzt sich nicht hinter Floskeln und Ausflüchten.
„Kommersant“: (Russland)
Neues Staatsoberhaupt wird der ehemalige Dissident und Geistliche aus Ostdeutschland, Joachim Gauck, der eine auffällige Rolle bei der Wiedervereinigung des Landes nach dem Fall der Berliner Mauer gespielt hat. Indem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel doch zur Kür dieses „deutschen Mandela“ durchgerungen hat, um ihre Zustimmungswerte in der Bevölkerung nicht zu gefährden, hat sie auch bewiesen, dass sie mit der Opposition eine gemeinsame Sprache finden kann. Damit hat sie verhindert, dass sich der Skandal um den Ex-Präsidenten Christian Wulff zu einer politischen Krise ausweitet.