Alle seine Berater hätten ihm abgeraten, Friedensverhandlungen mit der Farc-Guerrilla aufzunehmen, gestand Juan Manuel Santos neulich in einem Interview. Doch Kolumbiens Präsident tat, was er für richtig hielt – das Gegenteil. Kolumbien werde nur dann den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen, wenn die Gesellschaft ihre Konflikte nicht mehr gewaltsam austrägt, war die Überzeugung des 65-jährigen Ökonomen. Die öffentliche Meinung war gegen ihn, die vielen Nutznießer des Krieges sowieso. Die zähen Verhandlungen hätten Santos fast die Wiederwahl gekostet und belasteten seine Gesundheit. Es wurde die längste und schwierigste Partie im Leben des begeisterten Pokerspielers.
Jetzt erhält er Rückendeckung durch den Friedensnobelpreis. „Ich bin unendlich und aufrichtig dankbar für diese Ehrung“, sagte Santos am Freitag in einer Fernsehansprache. „Ich empfange sie nicht in meinem eigenen Namen, sondern im Namen aller Kolumbianer, insbesondere der Millionen Opfer dieses Konfliktes, unter dem wir mehr als 50 Jahre gelitten haben.“
Der Kampf um den Frieden ist noch nicht zu Ende: Obwohl nach fast vier Jahren zäher Verhandlungen Ende August das Vertragswerk unter Dach und Fach war, lehnten die Kolumbianer am Sonntag in einem Referendum mit knapper Mehrheit den Friedensvertrag ab. Sie waren nicht bereit, der Guerilla unter den ausgehandelten Bedingungen zu vergeben – unter anderem sollte sie zehn Kongress-Sitze für zwei Legislaturperioden auch ohne entsprechende Wählerstimmen erhalten. Santos muss nun in die Verlängerung und hierbei denjenigen Zugeständnisse abhandeln, die die Verhandlungen von Anfang an sabotierten und für das Nein warben, darunter sein rechter Amtsvorgänger Alvaro Uribe.
Der Realität weit voraus
„Santos ist der kolumbianischen Realität weit voraus“, sagt die Buchautorin Maria Alejandra Villamizar über ihn: „Er ist ein Politiker der ersten Welt in einem Drittweltland.“ Geboren und aufgewachsen ist er im Schoße einer der reichsten Familien des Landes in der Hauptstadt Bogota. Der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde er als knallharter Verteidigungsminister unter dem rechtspopulistischen Präsidenten Uribe, dem Santos von 2006 bis 2009 diente. In seine Zeit fielen zahlreiche Skandale, darunter die Ermordung von Zivilisten, die von Soldaten als Guerilla-Kämpfer ausgegeben wurden, um dafür Kopfprämien einzustreichen.
Mit Santos schien die konservative Kontinuität garantiert, und Uribe empfahl ihn als seinen Nachfolger. Während Santos' Amtszeit wuchs Kolumbien durchschnittlich um fünf Prozent, die Armut sank von 37 auf 30 Prozent. Privat gilt Santos als guter Gastgeber und Unterhalter, der gerne mit Freunden bis tief in die Nacht feiert. In seiner Freizeit spielt der dreifache Familienvater gerne Golf. Im Poker gilt er als harter Brocken: Santos sei ein kühl kalkulierender Stratege, bescheinigt ihm sein Schwager Mauricio Rodríguez.