Sie fühlen sich als die eigentlichen Sieger des Arabischen Frühlings. Keine drei Tage vor dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi öffneten die Emire und Könige am Golf ihre tiefen Taschen und transferierten zwölf Milliarden Dollar an die neuen Herrscher am Nil.
Eine Woche später traf das Geld bei der Zentralbank in Kairo ein, begleitet von Glückwunschtelegrammen an den neuen starken Mann, Armeechef Abdel Fattah El-Sissi. „Ägyptens große Armee hat sich einmal mehr als Ägyptens Schutzmacht erwiesen und wird dafür sorgen, dass Ägypten ein Staat der Institutionen und des Rechts bleibt, der alle Teile seines brüderlichen Volkes schützt“, kabelte Scheich Abdullah bin Zayed al-Nahayan, Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE).
Trotz solch blumiger Gratulationsrhetorik, mit den demokratischen Idealen der „Zweiten Revolutionäre“ in Ägypten haben die gekrönten Häupter der Ölstaaten nichts im Sinn. Ihnen geht es nur um eins – die Freiheitsideen des Arabischen Frühlings so weit wie möglich wieder zurückzudrehen.
Und so verfolgen die Potentaten am Golf die jüngsten Turbulenzen in Ägypten, Tunesien und Libyen nicht nur mit selbstgewisser Genugtuung. Gleichzeitig gehen sie auch auf dem eigenen Territorium immer unerbittlicher gegen innere Gegner vor. „Sämtliche Menschenrechtsgruppen werden jetzt in einem heimlichen Feldzug ausgemerzt“, urteilt ein westlicher Diplomat in der Region.
Kritik an den gesalbten Häuptern und ihren korrupten Familien per Twitter oder Facebook kann jeden Untertan wegen Majestätsbeleidigung ins Gefängnis bringen. Die Herrscher in Bahrain und Kuwait warnten ihre Landsleute drohend vor Sympathiekundgebungen für Mohammed Mursi. Anfang letzten Monats ließen die Vereinigten Arabischen Emirate 69 Angeklagte, darunter Lehrer, Professoren und Rechtsanwälte, wegen versuchten Umsturzes zu langen Haftstrafen verurteilen. Ihr „Verbrechen“: Sie hatten mehr Demokratie gefordert und ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Amnesty International qualifizierte den Prozess als „fundamental unfair“, ein Recht auf Berufung gibt es nicht, die meisten Oppositionellen wurden in der Haft systematisch gefoltert. „Die Regierung ist entschlossen, jegliche Form von Kritik mit aller Macht zu zerschlagen“, bilanzierte Amnesty.
In Saudi-Arabien wurde der Mitbegründer der Website „Liberales saudisches Netzwerk“, Raif Badawi, zu sieben Jahren Haft und 600 Peitschenhieben verurteilt. Der Richter warf dem Blogger vor, liberale Ideen zu verbreiten, die religiöse Sittenpolizei zu kritisieren und den Islam zu beleidigen. Der 35-Jährige hatte den 7. Mai 2012 zum „Tag der Freiheit“ ausgerufen und gefordert, der Einfluss der Religion auf die Politik müsse beendet werden.
Zuvor bereits waren im März die beiden Mitbegründer der „Saudischen Gesellschaft für zivile und politische Rechte“ (ACPRA), Mohammad al-Qahtani und Abdullah al-Hamed, zu zehnjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Der Strafgerichtshof warf al-Qahtani vor, eine „illegale Organisation“ gegründet zu haben, Zwietracht zu säen, Lügen zu verbreiten und „gegen die Autorität des Königs zu rebellieren“.
Der 47-Jährige habe die Justiz öffentlich beschuldigt, Folter zu erlauben und erpresste Geständnisse in ihren Urteilen zu verwenden. Außerdem habe er Saudi-Arabien als Polizeistaat bezeichnet, hieß es in der Urteilsbegründung.
Anfang Juli wurde mit Abdulkarim al-Khader ein weiterer ACPRA-Mitbegründer vor Gericht gezerrt und zu acht Jahre Gefängnis verurteilt. „Es ist absolut klar, was jetzt abgeht“, urteilte Manal al-Sharif, eine durch ihre Kampagne „Frauen ans Steuer“ international bekannt gewordene saudische Aktivistin. Die Regierung in Riyadh fühle sich durch den Fall der Muslimbruderschaft in Ägypten sehr bestärkt. „Ich denke, wir erleben jetzt einen Dominoeffekt. Jeden Tag, wenn ich auf Twitter gehe, lese ich von mehr Leuten, die verhaftet worden sind.“