Im Prinzip hätte Horst Seehofer ihn ja beim Flüchtlingskrisenkompromissfindungsgipfel in Berlin gleich persönlich übergeben können – aber dann wäre womöglich die ganze schöne Symbolik dahin gewesen. Jedenfalls ist der berühmte Brief aus Bayern inzwischen in der Hauptstadt angekommen. „Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela, die aktuelle Lage in der Flüchtlingskrise ist dramatisch“, schreibt der bayerische Ministerpräsident. Es folgen fünfeinhalb Seiten, auf denen der CSU-Chef der CDU-Chefin erklärt, warum er schön langsam die Geduld verliert. Hat er schon öfter getan, ja. Aber jetzt hat es die „liebe Angela“ auch schriftlich, schwarz auf weiß.
Damit das Schreiben auch ja nicht als Bettelei rüberkommt, trägt es die entschlossene Betreffzeile: „Forderungen der Bayer. Staatsregierung zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms“. Sogar eine Anlage hat der bayerische Brieffreund mitgeschickt: Das Gutachten mit dem eingängigen Titel „Migrationskrise als föderales Verfassungsproblem“ von Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio ist quasi die juristische Untermauerung des politischen Forderungskataloges aus der Bayerischen Staatskanzlei.
Der angesehene Staatsrechtler hat – so schreibt Seehofer – „überzeugend dargelegt, dass eine verfassungsrechtliche Pflicht des Bundes zur Begrenzung des massenhaften und unkontrollierten Zustroms von Flüchtlingen auch gegenüber den Ländern besteht“.
Auf gut Bayerisch: Es wird langsam Zeit, zu handeln. Und der Ministerpräsident hat auch eine ziemlich konkrete Vorstellung von den zeitlichen Rahmenbedingungen für den geforderten Kurswechsel: unverzüglich! Andernfalls behalte sich „Bayern eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ausdrücklich vor“. In Erwartung einer Antwort verbleibt Horst Seehofer mit freundlichen Grüßen. Jetzt ist seine Berliner Brieffreundin am Zug.