Als Oppositionspolitiker hatte Erdogan selbst die harte Hand des türkischen Staates zu spüren bekommen. Als er 1999 wegen religiöser «Aufhetzung des Volkes» für vier Monate ins Gefängnis musste, war seine politische Karriere auf einem gefährlichen Tiefpunkt. Eine flammende Rede hatte den islamistischen Bürgermeister von Istanbul hinter Gitter gebracht. «Die Minarette sind unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme, die Moscheen unsere Kasernen und die Gläubigen unsere Armee», hatte er bei einer Veranstaltung der später verbotenen Wohlfahrtspartei (RP) ein Gedicht zitiert.
In Abkehr von den Fundamentalisten wurde 2001 die konservative islamische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) gegründet. In wenig mehr als einem Jahr führte Erdogan sie an die Macht. Die AKP brachte der einst krisengeplagten Türkei eine nicht gekannte Phase der politischen Stabilität und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Zugleich haben Erdogans Anhänger die alte, säkulare Elite des Landes schrittweise aus dem Machtapparat verdrängt.
Erdogans Werdegang begann im Istanbuler Arbeiter- und Armenviertel Kasimpasa, wohin seine Familie aus dem Schwarzmeergebiet gezogen war. Er verkaufte Wasser und Süßigkeiten auf der Straße, um zum Einkommen der Familie beizutragen. Der einstige Amateur-Kicker begeistert sich bis heute für Fußball. Dass er ein Mann aus dem Volk ist, lässt er immer wieder anklingen.
Gesellschaftlich geprägt wurde er vom Besuch der religiösen Imam-Hatib-Schule, an der Prediger und Vorbeter ausgebildet werden. Sein politischer Ziehvater war Necmettin Erbakan, die inzwischen gestorbene graue Eminenz des politischen Islams in der Türkei.
Seine Gegner beschuldigen Erdogan, eine versteckte islamistische Tagesordnung zu verfolgen. Dass Erdogan immer autoritärer auftritt, hat ihn schon vor Jahren die Unterstützung liberaler Kräfte gekostet. Ihm wird vorgeworfen, er führe sich selbstherrlich wie ein Sultan auf. Jetzt strebt der Regierungschef nach dem Amt eines mit zusätzlicher Macht ausgestatten Präsidenten.