Die Polizisten kamen am frühen Donnerstagmorgen gegen sechs Uhr. Sie holten die Schlafenden aus ihren Zelten und provisorischen Unterkünften, verfrachteten sie in Busse. Drei Stunden später befanden sich keine Flüchtlinge mehr auf dem Gelände am nördlichen Pariser Stadtrand, nur noch ihre Hinterlassenschaften: Holzplatten, Matratzen, Schlafsäcke, teils vom Regen durchnässt.
Mehr als 2000 Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus, darunter einige Kinder, hatten hier und auf einem zweiten Gelände auf der anderen Seite der Stadtautobahn in wilden Unterkünften ohne sanitäre Anlagen gehaust. Ein Großteil von ihnen wurde abgeholt und in Turnhallen oder Aufnahmezentren in der Region gebracht.
Es handelte sich um die 59. Räumungsaktion seit 2015. Weil sie angekündigt worden war, hatten rund 500 Menschen die Lager kurz zuvor verlassen. Damit sich diese nicht rasch wieder bilden, werden künftig rund um die Uhr Patrouillen eingesetzt, sagte der zuständige Polizei-Präfekt Didier Lallement.
Menschenrechtsorganisationen wie „Utopia 56“ kritisierten das Fehlen von Informationen unter anderem „über die Modalitäten der Unterbringung, die Aufnahmebedingungen und die weitere Orientierung“ der Menschen. Innenminister Christophe Castaner versprach demgegenüber, jeder Fall werde individuell untersucht.
Die Räumungsaktion passt zur Ankündigung von Präsident Emmanuel Macron, insgesamt weniger Flüchtlinge als bisher und nur noch jene aufnehmen zu wollen, die ein Recht auf Asyl hätten oder von der französischen Wirtschaft gebraucht würden – diejenigen allerdings menschenwürdig unterzubringen. Mit einer relativ harten Haltung positioniert er sich gegen seine Hauptgegnerin, Rechtspopulistin Marine Le Pen, die einen „Einwanderungs-Stopp“ fordert. Entgegen dem allgemeinen Trend in Europa stieg die Zahl der Asylanträge in Frankreich im Jahr 2018 um 22 Prozent auf 123.000 an, von denen allerdings nur 35.600 angenommen wurden.
Die meisten Bewerber kamen aus Afghanistan, gefolgt von Georgien und Albanien, die als sichere Herkunftsländer gelten. Am Mittwoch hatte Premierminister Édouard Philippe 20 neue Maßnahmen angekündigt, die die bestehenden Einwanderungsregeln überwiegend verschärfen. So will die Regierung nach einer Untersuchung über den Missbrauch des Gesundheitssystems gegen „Medizin-Tourismus“ vorgehen: Abgesehen von Notfällen bekommen Bewerber künftig erst nach drei Monaten einen Gesundheitsschutz. Nach Ablehnung ihres Asylantrags erhalten die Betroffenen nur noch sechs statt bisher zwölf Monate lang Zugang zum französischen Gesundheitssystem.
Außerdem will sich Frankreich seine Flüchtlinge stärker aussuchen. So zielt die Regierung darauf ab, die Zahl der ausländischen Studierenden bis 2027 auf 500.000 zu verdoppeln. Auch plant sie, nach kanadischem oder australischem Vorbild Quotenregelungen für Wirtschaftsmigranten einzurichten, um benötigte Arbeitskräfte etwa auf dem Bau oder in der Gastronomie ins Land zu holen.