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BERLIN
Pofalla hat einen schweren Stand
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 03.01.2014 19:30 Uhr

Die Bahn ist kein Unternehmen wie jedes andere. In kaum einem Konzern ist ein guter Draht in die Politik wichtiger als bei ihr – immerhin gehört sie zu 100 Prozent dem Bund. Entsprechend konsequent engagieren die Vorstandsvorsitzenden der Bahn AG seit Jahren ehemalige Minister und Abgeordnete als Lobbyisten oder Berater.

Dem früheren SPD-Verkehrsexperten Klaus Daubertshäuser folgte Anfang 2006 der ehemalige bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) als Vorstandsmitglied im Ressort Wirtschaft und Politik. Als er drei Jahre später nach einer Datenaffäre ausschied, fand auch der neue Konzernchef Rüdiger Grube rasch Ersatz im nahen Parlamentsviertel: den bestens vernetzten baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten Georg Brunnhuber von der CDU. Der wurde zwar „nur“ Abteilungsleiter, sein Auftrag aber unterschied sich nicht von dem der Vorgänger: Politischen Ärger von der Bahn fernzuhalten.

„Es gibt zur Zeit keinerlei Entscheidungsnotwendigkeit.“

Regierungssprecher

Georg Streiter

So gesehen wäre ein Engagement von Ronald Pofalla aus Sicht der Bahn nur folgerichtig. Als ehemaliger Kanzleramtsminister findet der 54-Jährige sich im Berliner und Brüsseler Beziehungsgeflecht besser zurecht als jeder andere, er hat einen bekanntermaßen guten Draht zu Grube und auch keine größeren politischen Karrierepläne mehr. Bei den sich abzeichnenden Konflikten mit der EU-Kommission, die im deutschen Schienenverkehr auf mehr Wettbewerb pocht, können seine Kontakte Gold wert sein.

Nur wenige Wochen nach dem umstrittenen Wechsel seines Parteifreundes Eckart von Klaeden zu Daimler-Benz hat allerdings auch Pofalla einen schweren Stand. Hier entstehe der Eindruck jemand sei gezielt gekauft worden, klagt sogar ein amtierendes Regierungsmitglied, der neue Umweltstaatssekretär Ulrich Kelber (SPD). Die Opposition spricht mal von Postenschieberei, mal vom Verfall der politischen Sitten und verlangt eine Art Sperrzeit, die Regierungsmitglieder verstreichen lassen müssen, ehe sie bei Verbänden oder Unternehmen anheuern.

In Großbritannien zum Beispiel sind das zwei Jahre, für EU-Kommissare gilt eine Karenzfrist von 18 Monaten, in der sie nicht als Lobbyisten in dem Bereich arbeiten dürfen, für den sie vorher verantwortlich waren. Auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist eine solche Regel angedeutet – allerdings ist sie erstens weder verabschiedet und würde, zweitens, vermutlich erst für die Mitglieder des gerade vereidigten Kabinetts gelten. Was der frühere Kanzleramtsminister tue oder nicht tue, sagt Regierungssprecher Georg Streiter lapidar, habe die Bundesregierung nicht in der Hand. „Es gibt zur Zeit keinerlei Entscheidungsnotwendigkeit.“ Auch in den Ministerien für Wirtschaft, Finanzen und Verkehr, die jeweils einen Aufsichtsrat bei der Bahn stellen, werden Nachfragen sehr schmallippig beantwortet. So lange kein Personalvorschlag auf dem Tisch des Gremiums liege, wehrt ein Sprecher des neuen Verkehrsministers Alexander Dobrindt ab, stehe das Thema nicht zur Debatte. Nach unbestätigten Berichten sollen die Bahn-Aufseher Pofalla im März berufen.

Der Rheinländer würde bei der Bahn vermutlich Brunnhuber ersetzen, der im Februar 66 Jahre alt wird und dessen Vertrag Mitte des Jahres ausläuft. Mit einem geschätzten Jahressalär zwischen 1,3 und 1,8 Millionen Euro soll Pofalla aber anders als ein Vorgänger wieder Mitglied des Konzernvorstandes werden, in einem eigens für ihn geschaffenen Ressort. Er wäre damit der erste prominente Seitenwechsler, der mehr oder weniger direkt aus der Bundesregierung kommt. Der frühere Verkehrsminister Reinhart Klimmt (SPD) hatte nach seinem Rücktritt als Minister noch eineinhalb Jahre verstreichen lassen, ehe er 2002 als Brüssel-Beauftragter zur Bahn ging. Eine Reihe ehemaliger Landesminister verdingte sich später als Berater bei der Bahn, unter ihnen auch der Bayer Georg von Waldenfels. Wie die Kanzlerin über Pofallas Pläne denkt, ist unklar. Ihrem Sprecher Streiter ist nur eines wichtig: Da ihr langjähriger Vertrauter nicht mehr Mitglied ihres Kabinetts sei, handle es sich auch nicht um einen direkten Wechsel von einem Amt in ein anderes.

„Postillon“ narrt Netz-Nutzer

Leser schätzen die Online-Satirezeitschrift „Postillon“ für Schlagzeilen wie diese: „Vier von fünf Killerspiele-Spieler zu fett für Amoklauf“. Dass die Publikation aber so hohe Wellen im Netz schlagen könnte, wie nun geschehen, hätten wohl die wenigsten geglaubt. Mit der dreisten Behauptung, er sei schneller als die klassischen Medien gewesen, ist Herausgeber Stefan Sichermann ein PR-Streich gelungen.

Am Donnerstag hatte es erste Berichte gegeben, dass Ronald Pofalla einen Vorstandsposten bei der Bahn erhalten wird. Grundlage waren Exklusivinformationen der „Saarbrücker Zeitung“. Noch während sich am Donnerstag eine Welle der Empörung über diese Pläne aufbaute, gelang Sichermann eine Eulenspiegelei. Er schrieb in völlig nüchternem Ton die Spekulationen um Pofalla auf und leitete sie mit den Worten „Wie der Postillon am Mittwochmorgen erfuhr“ ein. Über den Text schrieb Sichermann dann die Datumsmarke „Mittwoch, 1. Januar 2014“ und behauptete beim Kurznachrichtendienst Twitter dreist, er habe die Pofalla-Geschichte „exklusiv“ gehabt.

Viele Nutzer von Twitter und Facebook wollten lieber dem Spaßmacher als den etablierten Medien glauben. Sie hielten die seriöse Nachricht prompt für einen Scherz. Eine Vielzahl hämischer Kommentare ergoss sich über die klassischen Medien, die angeblich auf einen Internet-Scherz hereingefallen seien.

Nach der Aufklärung reichen die Reaktionen im Internet von Ernüchterung über Verwirrung bis hin zu Komplimenten an den „Postillon“. Text: DPA

 
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