Zehntausende Menschen feierten in vielen Städten Spaniens den fünften Jahrestag der spanischen Protestbewegung der „Indignados“ (Empörten), welche die weltweite Occupy-Bewegung inspirierte. Die Massenproteste gegen Korruption, Sparpolitik, Armut, soziale Ungerechtigkeit und Jobkrise begannen im Mai 2011 in der Hauptstadt Madrid und breiteten sich dann in ganz Spanien aus. Aus dieser Empörtenbewegung, die wochenlang Spaniens Innenstädte besetzte, entstand Spaniens Protestpartei Podemos – die demnächst mit ihrem neuen Linksbündnis zweitstärkste Partei Spaniens werden könnte.
„Wir können es schaffen!“
„Si, se puede!“ – „Ja, wir können es schaffen!“, skandierten in diesen Tagen wieder Tausende überwiegend junge Demonstranten, die zu Trommelklängen durch Madrids Innenstadt zum zentralen Platz Puerta del Sol zogen. Der Schlachtruf, mit dem die Empörten schon vor fünf Jahren Spaniens politisches Establishment aufschreckten, hat bis heute nichts an Aktualität verloren.
Und er ist zum Signal für den Aufstand der jungen Generation im Königreich geworden, welche sich bei 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit um ihre Zukunft betrogen sieht und deswegen den spanischen Traditionsparteien die Rote Karte zeigt: „Ihr repräsentiert uns nicht“, riefen damals wie heute die Demonstranten.
Inmitten dieser Straßenproteste, an denen 2011 Millionen von Menschen teilnahmen, wurde vor zwei Jahren die linksalternative Partei Podemos („Wir können“) geboren, die seitdem Spaniens Parteiensystem durcheinanderwirbelt. In den beiden größten spanischen Städten – Madrid und Barcelona – regieren inzwischen sogar Bürgermeisterinnen, die der Protestbewegung entstammen.
Bei der letzten nationalen Parlamentswahl im Dezember 2015 bekam die Empörten-Partei mit ihrer rebellischen Galionsfigur Pablo Iglesias aus dem Stand sensationelle 21 Prozent der Stimmen. Sie wurde nach den Konservativen sowie den sozialdemokratisch orientierten Sozialisten, die bislang Spaniens politische Landschaft beherrschten, drittstärkste Partei.
Verwandtschaft zu Griechenland
Demnächst könnte es für die linken Polit-Rebellen einen weiteren Triumph geben. Denn für den 26. Juni hat König Felipe Neuwahl ausgerufen, weil weder der provisorische konservative Regierungschef Mariano Rajoy noch der sozialistische Oppositionsführer Pedro Sánchez es schafften, eine mehrheitsfähige Regierung auf die Beine zu stellen. Den Wählerbefragungen zufolge könnte diese kostspielige Wahlwiederholung, welche laut Soziologen Frustration und Wut der Bürger weiter anheizen dürfte, der linken Protestbewegung Flügel verleihen.
Zumal die Protestfront dann gestärkt mit einem neuen linken Wahlbündnis ins Rennen geht. Podemos schloss sich mit der kleineren Partei Izquierda Unida („Vereinigte Linke“) zusammen, die sich übrigens beide der in Griechenland regierenden Syriza verwandt fühlen. Der Bündnisname der neuen Linksfront nimmt einen Schlachtruf auf, der auch bei vielen Straßenprotesten zu hören war: „Unidos Podemos!“ („Gemeinsam können wir es schaffen!“) wurde der Linkspakt getauft.
Die Allianz wurde mit einer symbolträchtigen Umarmung der beiden Bündnis-Spitzenkandidaten Pablo Iglesias und Alberto Garzón auf der Puerta del Sol besiegelt – also auf jenem Madrider Platz, auf dem Spaniens Protestbewegung ihren Anfang nahm.
Nach der neusten Umfrage des staatlichen Instituts CIS könnte die Empörtenliste Unidos Podemos zusammen auf 23,1 Prozent kommen, die Sozialisten überrunden und damit zur führenden Kraft links von der Mitte werden. Das würde zweifellos die Rolle der Linken im spanischen Machtpoker weiter stärken. Konservative wie Sozialisten müssen sich derweil laut CIS auf weitere Verluste einstellen und werden bei 27,4 und 21,6 Prozent gesehen. Die liberale Partei Ciudadanos („Bürger“), die vor allem im konservativen Lager Stimmen fischt, könnte sich der Umfrage zufolge auf 15,6 Prozent verbessern.