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ISTANBUL
Plünderungen und Gewalt in Afrin
TOPSHOT-SYRIA-TURKEY-CONFLICT-AFRIN       -  Mit der Türkei verbündete syrische Kämpfer plündern in Afrin.
Foto: Bulent Kilic, afp | Mit der Türkei verbündete syrische Kämpfer plündern in Afrin.
Susanne Güsten       -  Susanne Güsten war Korrespondentin in der Türkei.
Susanne Güsten
 |  aktualisiert: 28.03.2018 02:49 Uhr

Als strahlender Erfolg erscheint in den türkischen Medien und den Bulletins der türkischen Armee aus Afrin die Eroberung der nordsyrischen Stadt: Die türkische Fahne wehe über den Regierungsgebäuden, die Ordnung in der Stadt sei wieder hergestellt, die Kurdenkämpfer der Miliz YPG seien geflohen. „Afrin ist endlich blitzsauber“, verkündete die Zeitung „Milliyet“ am Montag.

Doch die Wirklichkeit sieht wohl anders aus. Bewohner und syrische Bewohner berichten von Plünderungen, mehr als 200 000 Menschen sind auf der Flucht, die EU kritisiert eine Woche vor einem geplanten Gipfeltreffen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan das türkische Vorgehen in Syrien. Kritiker werfen Ankara vor, syrische Grenzgebiete de facto zu annektieren.

Trotz der türkischen Siegesmeldungen sind die Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Armee und der pro-türkischen Miliz FSA mit der YPG in Afrin offenbar noch nicht vorbei. Die YPG kündigte einen Guerrilla-Krieg an, der für die Türken zum „Alptraum“ werden soll. Auf Twitter veröffentlichte die Miliz ein Video, das laut YPG den Einschlag einer Rakete in einem gepanzerten Fahrzeug der türkischen Soldaten und deren Verbündeten in einem Dorf bei Afrin zeigte. Am Montag wurden nach türkischen Angaben in Afrin elf Menschen bei der Explosion einer Sprengfalle getötet.

Bewohner der Stadt und die unabhängige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichteten, Kämpfer der FSA hätten in Afrin viele Geschäfte und Wohnhäuser geplündert. Fotos und Videos zeigten bewaffnete Männer, die körbeweise Beute aus Häusern trugen; andere brachten auf Traktoranhängern ganze Wagenladungen aus der Stadt. Die FSA bestätigte die Plünderungen, erklärte aber, es handele sich um die Taten von Banditen, denen Einhalt geboten werde.

Wie lange die türkische Armee in Afrin bleiben wird, ist noch offen. Noch gebe es für die Truppen im Nordwesten Syriens viel zu tun, sagte Regierungssprecher Bekir Bozdag. An eine dauerhafte Truppenpräsenz im Nachbarland werde aber nicht gedacht. Ein rascher Rückzug ist damit wohl ausgeschlossen, zumal der Afrin-Feldzug in der türkischen Öffentlichkeit breite Unterstützung genießt.

Was die kommenden Monate für Afrin bringen könnten, lässt sich möglicherweise an der Entwicklung in der weiter östlich gelegenen Stadt Dscharablus ablesen, die 2016 das Ziel einer türkischen Intervention war. Seitdem sind nach türkischen Angaben rund 140 000 Syrer aus der Türkei nach Dscharablus gezogen. Die Stadt wurde an das türkische Stromnetz angeschlossen und wird von Polizeikräften gesichert, die von der Türkei ausgebildet und ausgerüstet worden sind. Die Anbindung der syrischen Stadt an die Türkei ist so eng, dass kürzlich sogar eine Filiale der türkischen Post in Dscharablus eröffnete.

Türkische Nationalisten fordern bereits, die Armee solle ihren Feldzug fortsetzen und – wie von Erdogan angekündigt – die als Ableger der Terrororganisation PKK betrachtete YPG aus dem gesamten Norden Syriens bis hin zur irakischen Grenze vertreiben. Dies würde erhebliche Spannungen mit Russland und den USA provozieren; nach einer Vereinbarung zwischen den Supermächten steht das syrische Gebiet westlich des Euphrats unter russischer Kontrolle, während östlich des Stroms die USA das Sagen haben.

Auch die Beziehungen der Türkei zu Europa werden durch die Intervention in Syrien belastet. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, sie sei wegen des türkischen Vorgehens im Norden Syriens besorgt. Schließlich sollten internationale Bemühungen in Syrien zur Beruhigung der Lage in dem Bürgerkriegsland beitragen, und nicht zu einer weiteren Eskalation. Das Thema dürfte beim geplanten Gipfel der EU mit Erdogan am 26. März im bulgarischen Varna zur Sprache kommen.

 
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