Mit ihren Schulleistungen in den Feldern Mathematik, Lesen/Textverständnis und Naturwissenschaften können sich die 15-Jährigen in Deutschland auch im neuen internationalen Pisa-Vergleich recht gut im Mittelfeld behaupten – wie schon beim Test 2009.
Doch die am Dienstag vorgestellte OECD-Untersuchung fördert zugleich auch neue Dinge aus dem Innenleben deutscher Schulen zutage, die bislang nicht so bekannt waren: So erscheinen hierzulande die Schüler viel pünktlicher zum Unterricht als in den meisten anderen Industriestaaten, schwänzen viel seltener und haben zu 90 Prozent ein Zugehörigkeitsgefühl zu „ihrer“ Schule entwickelt. Und 70 Prozent der Schüler glauben, dass im Grunde genommen an ihrer Schule „alles sehr gut läuft“.
Darüber hinaus können die 15-Jährigen hierzulande im Schnitt besser rechnen und lesen als Gleichaltrige in anderen Industriestaaten. Auch die Zahl der leistungsschwachen Schüler ging zurück. Doch noch immer können knapp 18 Prozent der Heranwachsenden nur ganz einfache Mathe-Aufgaben lösen.
Eindeutige Pisa-Sieger sind erneut die Schüler aus den asiatischen Regionen Shanghai, Singapur, Hongkong und Taipeh. 15-Jährige aus diesen Ländern sind Gleichaltrigen aus Deutschland allein in Mathematik um zwei bis drei Schuljahre voraus. Aber auch die Schüler aus der Schweiz und den Niederlanden finden sich in der weltweiten Mathe-Leistungstabelle unter den zehn Erstplatzierten.
Dennoch: Nach den vielen Hiobsbotschaften vergangener Jahre über die Schwächen der deutschen Schulen hörten die Kultusminister der Länder am Dienstag das Lob sehr gern. Auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) strahlte in der Bundespressekonferenz. Lange hatte kein Bundesminister mehr persönlich an Pisa-Präsentationen teilgenommen. Wankas SPD-Vorgängerin Edelgard Bulmahn war vor Jahren vom Kanzleramt sogar strikt „Abwesenheit“ verordnet worden, damit die schlechten deutschen Ergebnisse nicht auch noch der Bundesregierung angelastet würden – wo doch die Schule Ländersache sei.
Auch der übliche tiefe Interpretationsgraben zwischen den internationalen Pisa-Forschern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf der einen und deutschen Bildungsministern und ihren Professoren auf der anderen Seite scheint nun zugeschüttet. OECD-Bildungsdirektorin Barbara Ischinger führte in Berlin nur Lobendes über das Streben der deutschen Schulen nach Verbesserungen im Munde. Den OECD-Experten Andreas Schleicher hatte man vorsorglich auf Pisa-Tournee nach Washington geschickt. Schleicher war bisher der schärfste Kritiker des deutschen Bildungssystems. So manchen Bildungsminister hatte er in den vergangenen Jahren mit seinen Zahlenwerken zur Weißglut gebracht.
Pisa, Iglu, Tims, Vera, wie die vielen großen und kleinen Schulstudien aus jüngster Zeit auch alle heißen, hinzukommen noch die eigenen Untersuchungen der Kultusminister durch das ländereigene Institut zur Qualitätsverbesserung im Bildungswesen (IQB): Die deutschen Schulen werden seit dem Schock über das schlechte deutsche Pisa-Abschneiden beim ersten Test im Jahr 2000 inzwischen ständig vermessen, mit Kennzahlen und neuen Daten erfasst. Mit 180 Millionen Euro pro Jahr fördert der Bund die Bildungsforschung insgesamt. In der deutschen Erziehungswissenschaft gibt es fast nur noch Auftragsforschung – und keine unabhängige Grundlagenforschung mehr.
In den Schulen mache sich inzwischen ein „Lernen für den nächsten Test breit“, klagen manche Kritiker. Schulen müssten mehr sein als „Produktionsstätten abfragbaren Wissens“, sagt die GEW-Vorsitzende Marlies Tepe. Und aus der Fachwissenschaft bekommt der bekannte Pisa-Dauerkritiker Andreas Gruschka inzwischen häufiger Zustimmung. Der Frankfurter Erziehungswissenschaftler hatte als Erster gegen die ständige „Testeritis“ an deutschen Schulen Front gemacht. Zudem sei die OECD eine reine Wirtschaftsorganisation, die vor allem die „Verwertbarkeit“ der Schulabgänger auf dem Arbeitsmarkt im Blick habe, heißt es bei den Pisa-Kritikern.
Die Kultusminister halten im Verein mit ihren Schulforschern dagegen, dass die Leistungen inzwischen insgesamt besser geworden seien und die Zahl der leistungsschwachen Risikoschüler reduziert werden konnte. Doch die großen Probleme der deutschen Schulen – wie die nach wie vor hohe Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft und auch die unzureichende Förderung von Migrantenkindern – sind immer noch nicht wirklich gelöst. Nach wie vor Kopfzerbrechen bereitet zudem das große Leistungsgefälle zwischen den Bundesländern.
Union und SPD konnten sich in ihrem Koalitionsvertrag nicht auf ein neues Programm zum Ausbau der Ganztagsschulen durchringen. Und den Ländern selbst fehlt dafür das Geld. Die Schuldenbremse wirft auch in den Landeshaushalten ihre Schatten voraus.
Beispiele für Aufgaben
MATHEMATIK Heike hat ein neues Fahrrad bekommen. Es hat einen Tachometer. Dieser kann Heike die zurückgelegte Strecke und ihre Durchschnittsgeschwindigkeit für eine Tour anzeigen. Frage 1: Auf einer Tour ist Heike 4 Kilometer in den ersten 10 Minuten gefahren und dann 2 Kilometer in den nächsten 5 Minuten. Welche der folgenden Aussagen ist richtig? A. Heikes Durchschnittsgeschwindigkeit war in den ersten 10 Minuten höher als in den nächsten 5 Minuten. B. Heikes Durchschnittsgeschwindigkeit war in den ersten 10 Minuten und in den nächsten 5 Minuten die gleiche. C. Heikes Durchschnittsgeschwindigkeit war in den ersten 10 Minuten niedriger als in den nächsten 5 Minuten. D. Es ist nicht möglich, anhand der Angaben etwas über Heikes Durchschnittsgeschwindigkeit zu sagen. (richtig: B) Frage 2: Heike ist 6 Kilometer zum Haus ihrer Tante gefahren. Ihr Tachometer hat für die gesamte Tour durchschnittlich 18 Kilometer pro Stunde angezeigt. Welche Aussage ist richtig? A. Heike hat 20 Minuten gebraucht, um zum Haus ihrer Tante zu kommen. B. Heike hat dafür 30 Minuten gebraucht. C. Heike hat dafür 3 Stunden gebraucht. D. Es ist nicht möglich zu sagen, wie lange Heike gebraucht hat, um zum Haus ihrer Tante zu kommen. (richtig: A) LESEKOMPETENZ Ein Geizhals verkaufte alles, was er hatte, und kaufte einen Klumpen Gold, den er in einem Loch in der Erde neben einer alten Mauer vergrub. Jeden Tag ging er, um danach zu sehen. Einer seiner Arbeiter bemerkte die regelmäßigen Besuche des Geizhalses an dem Ort und beschloss, dessen Kommen und Gehen zu beobachten. Der Arbeiter entdeckte bald das Geheimnis des versteckten Schatzes, grub im Boden, fand den Klumpen Gold und stahl ihn. Der Geizhals fand das Loch bei seinem nächsten Besuch leer vor und begann, sich die Haare zu raufen und laut zu klagen. Ein Nachbar, der ihn in seiner Verzweiflung sah und den Grund dafür erfuhr, sagte zu ihm: „Bitte grämt Euch nicht so; nehmt Euch einen Stein, legt ihn ins Loch und stellt Euch vor, das Gold läge noch dort. Er wird Euch den gleichen Dienst erweisen, denn auch, als das Gold noch da war, besaßt Ihr es nicht, da Ihr nicht den geringsten Gebrauch davon gemacht habt.“ Aufgabe: Lies die unten stehenden Sätze und nummeriere sie in der Reihenfolge der Ereignisse im Text. 1. Der Geizhals entschloss sich, all sein Geld gegen einen Klumpen Gold zu tauschen 2. Ein Mann stahl das Gold des Geizhalses. 3. Der Geizhals grub ein Loch und versteckte seinen Schatz darin. 4. Der Nachbar des Geizhalses riet ihm, das Gold durch einen Stein zu ersetzen. (richtig: Reihenfolge 1,3,2,4) NATURWISSENSCHAFT Mary Montagu überlebte im Jahr 1715 eine Pockeninfektion, doch ihr Gesicht blieb mit Narben bedeckt. Während eines Türkei-Besuches im Jahr 1717 lernte sie ein dort übliches Verfahren kennen, die sogenannte Inokulation. Bei dieser Behandlung wurden Erreger einer schwachen Form des Pockenvirus in die Haut von gesunden jungen Menschen eingeritzt, woraufhin diese zwar erkrankten, aber in den meisten Fällen nur an einer leichten Form der Krankheit. Mary Montagu war davon so überzeugt, dass sie ihre Kinder auf diese Weise behandeln ließ. 1796 benutzte Edward Jenner die Inokulation mit Kuhpocken, einer verwandten Pockenart, um Antikörper gegen die Pocken zu erzeugen. Im Vergleich zur Inokulation mit Pocken hatte diese Behandlung weniger Nebenwirkungen, und die behandelte Person konnte niemanden anstecken. Die Behandlung ist als Impfung bekannt geworden. Frage: Gegen welche Art von Krankheiten kann man sich impfen lassen? A. Erbkrankheiten wie die Bluterkrankheit. B. Krankheiten, die von Viren verursacht werden, z.B. Kinderlähmung. C. Krankheiten, die durch Funktionsschwächen des Körpers verursacht werden, z.B. die Zuckerkrankheit. D. Jede Art von Krankheit, für die es keine Heilung gibt. (richtig: B)