Mit Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich bringt einer von Kanzlerin Angela Merkels Ex-Ministern das Unbehagen bei CDU/CSU wegen der Entwicklungen am rechten Rand auf den Punkt. Andere Unionspolitiker geben der Kanzlerin recht. Sie warnen vor Toleranz für Islam-Feinde.
Angesichts einer starken Anti-Islam-Bewegung und der konservativen Konkurrenzpartei AfD wächst die Nervosität in der Union. Als erster Ex-Bundesminister machte der stellvertretende Fraktionschef Hans-Peter Friedrich (CSU) jetzt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mitverantwortlich für ein Abbröckeln am rechten Rand.
Im Magazin „Der Spiegel“ kritisierte Friedrich das Nichtbesetzen konservativer Themen durch die Union. Nach Ansicht des früheren Innenministers im Kabinett Merkel zeigt die islamkritische Bewegung Pegida, „dass wir in der Vergangenheit mit der Frage nach der Identität unseres Volkes und unserer Nation zu leichtfertig umgegangen sind“. Die CSU müsse ihrer angestammten Rolle wieder gerecht werden, im Parteienspektrum die rechte Flanke abzudecken.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt wies Friedrich umgehend zurecht. „Es ist nicht hilfreich, die Zusammenhänge zu verdrehen“, sagte sie der Zeitung „Die Welt“. „Unsere Politik ist der Grund für die Stärke der Union und nicht für das Erstarken von AfD und Pegida.“ Dass in einer Großen Koalition Kompromisse geschlossen werden müssen, „weiß auch Herr Friedrich. Er war bei den Koalitionsverhandlungen verantwortlich mit dabei. Deshalb wundern mich seine Aussagen schon sehr.“
In der „Stuttgarter Zeitung“ grenzte sich Hasselfeldt von den Demonstrationen in Dresden und anderen Städten ab. Sie sei „erschreckt vom hohen Maß an Frustration, das bei den Protesten zum Ausdruck kommt“. Die CSU-Politikerin betonte: „Die berechtigten Sorgen müssen wir ernst nehmen, für die haben wir ein offenes Ohr. Aber die Toleranz hat Grenzen.“
Nach Ansicht Friedrichs ist der Kurs der Merkel-CDU „kurzfristig erfolgreich, wie die Meinungsumfragen zeigen“. Langfristig aber sei er „ein verheerender Fehler, der zur Spaltung und Schwächung des bürgerlichen Lagers führen kann“.
Der stellvertretende CDU-Chef Volker Bouffier verteidigte indes Merkels Mitte-Ausrichtung. „Die CDU muss immer erkennbar bleiben. Aber wir müssen auch Antworten auf Fragen geben, die sich vor zehn oder 20 Jahren noch nicht gestellt haben“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Die AfD sei lediglich „ein wirrer Haufen, der Protest von allen Seiten aufnimmt“.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte unter dem Eindruck der Pegida-Demonstrationen, Sinn und Nutzen von Zuwanderung besser zu erläutern. Er sagte der „Bild“-Zeitung: „Wo wir alle besser werden müssen, das ist beim Erklären der vielen Veränderungen im Alltag und in der Welt.“
Die stellvertretende SPD-Chefin Aydan Özoguz sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das Thema Zuwanderung und Integration ist zu ernst, um es wie Herr Friedrich für parteipolitische Profilierung zu instrumentalisieren.“ Der CSU-Politiker werde „seiner Verantwortung als ehemaliger Innenminister und stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender nicht gerecht“.
Pegida organisiert seit Wochen Demonstrationen. In Dresden, wo die islamfeindliche Bewegung entstand, waren es zuletzt etwa 17 500 Teilnehmer. Bundesweit formiert sich aber auch immer mehr Widerstand.
Sachsens CDU will die Zuwanderungs- und Asylpolitik überprüfen. Eine Expertenkommission solle eine kritische Bestandsaufnahme machen, kündigte Landes-Generalsekretär Michael Kretschmer am Samstag im Gespräch mit der dpa an. „Wir wollen auch eine ehrliche Einschätzung liefern, welche Versäumnisse es gibt.“ Die CDU verteidige das Grundrecht auf Asyl aus Überzeugung. Für die Union stehe aber auch fest, dass die Prüfungsverfahren beschleunigt werden und Menschen ohne Rechtsanspruch Deutschland wieder verlassen müssten. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Safter Cinar, lehnte Dialogangebote der Politik an die Pegida-Anhänger entschieden ab. „Wer hier für Verständnis plädiert, bestärkt diese Leute – und womöglich weitere – in dem Glauben, es gebe etwas zu verstehen“, sagte Cinar dem „Tagesspiegel am Sonntag“.