Thomas de Maiziere kämpft einen aussichtslosen Kampf. Mit belegter, fast schon heiserer Stimme steht der Innenminister in der Essener Grugahalle auf dem Podium am Mikrofon und verteidigt den erst vor zwei Jahren von der Großen Koalition in Berlin beschlossenen Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft. Eine Rückkehr zum bis 2014 geltenden Optionsmodell, wonach sich in Deutschland geborene Kinder von Ausländern im Alter zwischen 18 und 23 Jahren entscheiden mussten, welchen Pass sie haben wollen, sei politisch mit keinem einzigen Koalitionspartner durchsetzbar, argumentiert er. Auch sei es „nicht schön“, einen gerade erst gefundenen Kompromiss wieder zu kippen. Nicht zuletzt würde eine Rückkehr zum alten Recht viele in Deutschland lebende Menschen „vor den Kopf stoßen“.
Pro – und Kontra
Doch die Argumente des Innenministers ziehen nicht. Und auch der Appell von Generalsekretär Peter Tauber, trotz aller Bedenken bei der Regelung zu bleiben, verhallt ungehört. Ausgerechnet ein Mitglied der Bundesregierung, Finanz-Staatssekretär Jens Spahn, gibt Kontra und unterstützt offensiv den Antrag der Jungen Union (JU), den Doppelpass wieder abzuschaffen.
Natürlich müsse eine Koalition Kompromisse eingehen, ruft der stellvertretende CDU-Chef unter dem Jubel der Delegierten – „aber wir sind hier auf einem Parteitag“. Es sei „keine Zumutung“, den jungen Menschen eine bewusste Entscheidung für eine Staatsangehörigkeit abzuverlangen. So kommt es, wie es kommen muss. Bei der Abstimmung lehnen 319 Delegierte die doppelte Staatsbürgerschaft ab, nur 300 Delegierte folgen der Bitte des Innenministers, an der geltenden Regelung nicht zu rütteln.
Eine Niederlage für die Parteispitze, die zwar nur symbolischer Natur ist, weil die Regierung das Gesetz nicht antasten will, wie Merkel am Ende des Parteitags offen zugibt. Mit ihr werde es keine Änderung geben, zudem halte sie den Beschluss für falsch. Auch glaube sie nicht, „dass wir einen Wahlkampf über den Doppelpass machen“. Doch da hat die Basis bereits Muskeln gezeigt: Sie will, dass die CDU gut neun Monate vor der Bundestagswahl ihr konservatives Profil schärft und sich vom Koalitionspartner absetzt. Und das nicht nur an dieser Stelle.
Schon im Vorfeld des Parteitags gab es massive Kritik am Leitantrag des CDU-Bundesvorstands unter dem Motto „Orientierung in schwierigen Zeiten“. Vor allem in Baden-Württemberg stieß das Papier auf massive Kritik, „weichgespült und ohne Biss“ war noch die harmloseste Formulierung. Die Parteispitze um Merkel und Tauber scheue den Konflikt und wolle sich schon vor der Wahl bei den Grünen anbiedern, monierten etliche Südwest-Abgeordnete.
Sowohl die Landtagsfraktion mit Wolfgang Reinhart an der Spitze als auch Landeschef und Innenminister Thomas Strobl pochten daher auf eine deutliche Verschärfung und forderten eine konsequentere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und Ausländern ohne gültiges Bleiberecht. Die Union, sagt Strobl in Essen, sei die Partei von Recht und Ordnung, die innere Sicherheit gehöre zu ihren Kernkompetenzen. Einstimmig nimmt der Parteitag den Leitantrag an, der gerade in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik von der Bundesregierung weitergehende Gesetzesverschärfungen fordert.
So sollen in Nordafrika Aufnahmezentren eingerichtet werden, in die Flüchtlinge, die im Mittelmeer gerettet werden, zurückgebracht werden, zudem sollen die nordafrikanischen Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. „Gerade der Asylmissbrauch aus diesen Ländern untergräbt massiv die Akzeptanz in der Bevölkerung für das Asylrecht für die wirklich Schutzberechtigten“, heißt es in dem Leitantrag. Leistungen für Nordafrikaner sollten auf „das unumgänglich Notwendige“ beschränkt werden, die Ablehnung des Asylantrags hat eine sofortige Ausreisepflicht zur Folge.
Wirtschaftsflügel setzt sich durch
An einem anderen Punkt setzt sich der Wirtschaftsflügel gegen die Parteispitze durch. Hieß es in der ursprünglichen Fassung noch eher unverbindlich, die CDU lehne eine Erhöhung der Steuerquote ab, drängten die Ordnungspolitiker auf die deutlich schärfere Formulierung: „Wir schließen Steuererhöhungen grundsätzlich aus, insbesondere auch eine Verschärfung der Erbschaftssteuer und eine Einführung der Vermögenssteuer.“ So konkret wollten es Merkel und Co. gar nicht haben. Doch die Basis fordert Klartext.