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Papst: „Der Karneval ist vorbei“
Kleiderordnung: Franziskus bedeutet der altertümliche Prunk im Vatikan nichts. Statt Gold und Spitzen trägt er schlichtes Weiß. Die mönchische Einfachheit löst in der Kurie offenbar Irritationen aus.
Schlichtheit gleich nach der Wahl: Kardinal Jorge Mario Bergoglio als neuer Papst Franziskus auf dem Balkon im Vatikan. Direkt rechts neben dem Papst: Zeremonienmeister Guido Marini
Foto: dpa | Schlichtheit gleich nach der Wahl: Kardinal Jorge Mario Bergoglio als neuer Papst Franziskus auf dem Balkon im Vatikan. Direkt rechts neben dem Papst: Zeremonienmeister Guido Marini
Von unserem Korrespondenten Julius Müller-Meiningen
 |  aktualisiert: 26.04.2023 19:37 Uhr

Benedikt XVI. hatte es mit den Insignien der Macht so weit getrieben, dass sich sogar Modemagazine mit den päpstlichen Gewändern beschäftigten. In Erinnerung ist etwa der Camauro, die rote, mit weißem Hermelinfell besetzte Samthaube, die 60 Jahre zuvor nur noch Johannes XXIII. getragen hatte. Um „überflüssige Interpretationen“ zu vermeiden, so erklärte Joseph Ratzinger später, ließ er die Kappe bald wieder im päpstlichen Kleiderschrank hängen. Die traditionellen roten Schuhe der Päpste trug Benedikt hingegen bis zu seinem Rücktritt. Auch bei den Hochfesten der Kirche fehlte es nie an Seide, Gold und sonstigem Prunk auf Mitren und Messgewändern. Dieser ganz bewusst zur Schau getragene Reichtum fällt in der Rückschau besonders deshalb auf, wenn man jetzt stets den eher spartanischen liturgischen Stil von Franziskus zu sehen bekommt.

Der optische Gegensatz der beiden Päpste wird auch in den Ostertagen deutlich zu erkennen sein. Jorge Mario Bergoglio trat bei den bisherigen Feiern ganz in Weiß auf, als Kopfbedeckung während der Prozessionen wählte er seine einfache Kardinalsmitra. Die päpstliche Stola legte er nach dem Segen Urbi et Orbi rasch wieder ab. Am Palmsonntag streifte er einen einfachen, roten Parament-Mantel über. Das Pendant, das Benedikt vor einem Jahr trug, war goldbestickt, mit Kordeln und kostbaren Spangen zusammengehalten. Manche interpretieren den sichtbaren Unterschied in Liturgie und Auftreten als deutliche Abgrenzung zum Vorgänger. Andere erkennen in den neuen Manieren einfach einen anderen Stil, der sich auch aus der unterschiedlichen katholischen Sozialisierung der beiden Männer erklären lässt. Da war der Bayer auf dem Stuhl Petri, der auch von seiner barocken Heimat geprägt war. Hier ist der argentinische Jesuit, dem die Liturgie wie den meisten seiner Ordensbrüder noch nie ein besonderes Anliegen war.

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Ratzinger nahm als theologischer Berater aktiv am Zweiten Vatikanischen Konzil teil, für ihn bedeutete die Abspaltung der traditionalistischen Bischöfe um Marcel Lefebvre ein Trauma. Auch das ist eine Erklärung für seine Aufgeschlossenheit gegenüber der Tradition. 2007 hatte Benedikt die alte lateinische Messe wieder eingeführt, die erste Messe als Papst noch in der Sixtinischen Kapelle feierte Benedikt mit dem Gesicht zu Michelangelos Fresko vom Jüngsten Gericht. Bergoglio hingegen stand an einem seit dem Konzil üblichen „Volksaltar“ und wendete sich den Kardinälen zu. Für traditionalistische Gesten ist der Argentinier nicht empfänglich, Diskurse dieser Art lassen Franziskus kalt.

Seine nähere Umgebung ist für eine traditionelle, prunkvolle Bildsprache mehr als offen und förderte sie in der Vergangenheit sogar. Das birgt Zündstoff, denn Franziskus' engste Berater in Rom sind bislang mit denen Benedikts identisch. Und so ist weniger von einer Opposition der beiden Päpste auszugehen als von einer kleinen Machtprobe mit dem innersten Zirkel. „Da werden alle Beteiligten einiges dazulernen müssen“, prognostiziert ein Kenner der Szene.

Von innerem Unmut bis zu großer Überraschung reichen die Reaktionen derjenigen, die für die Außendarstellung des neuen Papstes zuständig sind. Vor allem der in der Kurie umstrittene päpstliche Zeremonienmeister Guido Marini, der den Stil der Ratzinger-Jahre mitprägte, muss schwer geschluckt haben, seit er plötzlich einem äußerst mönchischen und allem Pomp nicht mehr aufgeschlossenen Pontifex zur Seite stehen muss. Es ist bekannt, dass Marini viel für Spitzen und Goldbesatz übrig hat. Auch Ratzingers Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, der nun als Präfekt des päpstlichen Hauses die Termine des Papstes koordiniert, war dem Schmuck Benedikts nicht abgeneigt. Aber damit kann Franziskus wie gesagt wenig anfangen. Auch als Papst kommt er in schwarzen, abgelaufenen Orthopädie-Schuhen daher und will noch eine Weile im vatikanischen Gästehaus Santa Marta bleiben statt rasch in das ebenso offizielle wie isolierte Appartamento im päpstlichen Palast umziehen.

Signifikant ist in diesem Zusammenhang eine Episode im unmittelbaren Anschluss an die Wahl Jorge Mario Bergoglios. In der Kammer der Tränen gleich hinter der Sistina, wo der neue Papst erstmals die weiße Soutane überstreift, soll Chefzeremoniar Guido Marini Bergoglio die rote Mozzetta, den roten, mit Kaninchenfell besetzten, samtenen Schultermantel umgelegt haben. „Die können Sie anziehen“, soll Bergoglio Marini angegiftet haben. Kolportiert wird auch, der frisch gewählte Papst habe verfügt: „Der Karneval ist jetzt vorbei.“

Diese Worte ähneln eher dem Slang in der Kurie als den ersten Worten eines neuen Papstes. Dass Franziskus wenige Minuten nach seiner Wahl so harsch geworden sein soll, lässt vor allem zwei Interpretationen zu. Entweder ist die milde, menschenfreundliche Note, die sein Pontifikat bisher durchzieht, ein großer Bluff. Oder es gibt Menschen in der Kurie, der Vatikanverwaltung, denen der liturgische Frühjahrsputz übel aufstößt und die deshalb Zwietracht säen. Nicht alle teilen jedenfalls das Wohlwollen, das Franziskus von den meisten Gläubigen entgegen gebracht wird. „Es hat geknirscht“, weiß ein Insider. Als „abwartend“ beschreibt ein Kardinal die Haltung vieler Kurialer. Im traditionalistischen Internetforen wie dem erzkonservativen Blog www.messainlatino.it wird Franziskus gar als „gefallsüchtiger Papst“ gebrandmarkt. Nicht etwa, weil er sich mit Spitzen und Goldbesatz besonders herausputzen würde, sondern weil ihm all dies wenig bis nichts bedeutete.

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx
Foto: dpa | Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx
 
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