Politiker sind nicht die Spezies, die das italienische Volk in Jubelstürme ausbrechen lässt. Auch der neue Ministerpräsident Paolo Gentiloni löst bei seinen Landsleuten keine ekstatischen Reaktionen aus. Aber er kann immerhin für sich beanspruchen, nicht zur Kategorie der unbeliebtesten Gestalten im römischen Politikbetrieb zu zählen.
Das hängt einerseits damit zusammen, dass viele Italiener Gentiloni gar nicht kennen. Und zweitens damit, dass der 62-Jährige, der seit 2014 Außenminister war, für seine besonnene Art bekannt ist. Nur eine gute Woche nach dem Rücktritt von Premier Matteo Renzi waren Gentiloni und seine Regierung von Staatspräsident Mattarella vereidigt werden. Gentiloni stellte bereits sein neues Kabinett vor. Der bisherige Innenminister Angelino Alfano wird neuer Außenminister. Pier Carlo Padoan bleibt Finanzminister der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone.
Einen „wunderbaren Kollegen“ nennt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier seinen Amtskollegen Gentiloni. Das sind Worte, die weit über das normale Maß an Freundlichkeit hinausgehen. Der Politiker spricht Englisch, Französisch und nach einem Kurs beim Goethe-Institut offenbar auch passabel Deutsch. „Er hat die Diplomatie im Blut“, schrieb der „Corriere della Sera“. Dem neuen Ministerpräsidenten wird eine Akribie und Bedächtigkeit nachgesagt, die man zuletzt nicht mehr kannte aus Italien.
Der Römer entstammt einem alten katholischen Adelsgeschlecht, das immer noch einen Palazzo in der Nähe des Viminal-Hügels in Rom besitzt. Auch Gentiloni wohnt hier mit seiner Ehefrau. Er liebt es, zu Fuß durch die Stadt zu flanieren. Ein Großonkel vermittelte 1913 den sogenannten Gentiloni-Pakt zwischen dem Vatikan und der Regierung. Anschließend durften auch die italienischen Katholiken an demokratischen Wahlen teilnehmen, Papst Pius IX. hatte ihnen dies verboten.
Dass auch der neue Ministerpräsident einen guten Draht zur Kirche hat, ist bekannt. Gentiloni ist ein gemäßigter Katholik, der vor allem als Referent der Stadt Rom für das Heilige Jahr 2000 Bande in den Vatikan knüpfte. Als Student schloss er sich der außerparlamentarischen Linken an. Später engagierte er sich in der Umweltbewegung. Dort fand er im späteren römischen Bürgermeister Francesco Rutelli seinen politischen Mentor. Gentiloni war Rutellis Pressesprecher und gründete mit ihm zusammen 2002 die Partei La Margherita, die bei oberflächlicher Betrachtung wie ein Pendant der Grünen wirkte, sich aber als christdemokratische Strömung im linken Spektrum entpuppte. Gentiloni war in Rom einer der ersten Unterstützer des kompromisslosen Renzi.