Ein schweres Erdbeben vor Sumatra hat am Mittwoch in der gesamten Region des Indischen Ozeans Ängste vor einem Tsunami geweckt. Menschen rannten in Panik auf die Straßen. Erinnerungen an die Katastrophe von 2004 wurden wach. Am Nachmittag atmeten die betroffenen Länder wieder auf: Das Pazifische Warnzentrum und das zuständige indonesische Institut hoben die Tsunami-Warnung auf. In der am stärksten betroffenen Provinz Aceh stieg der Meeresspiegel um weniger als einen Meter. Indonesiens Katastrophenschutzbehörde erklärte, das Erdbeben der Stärke 8,6 und die Nachbeben, dessen stärkstes 8,2 erreichte, hätten nur kleine Tsunamis ausgelöst.
Berichte über Opfer und Schäden nach dem Beben lagen zunächst nicht vor, wie Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono sagte. Die Region war bei der Tsunami-Katastrophe Ende 2004 schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Mehr als 170 000 Menschen kamen allein dort ums Leben oder gelten seither vermisst.
In Aceh herrschte nach den Beben Chaos. Sirenengeheul forderte die Menschen auf, aus dem Küstenbereich zu fliehen. Auf den Küstenstraßen bildeten sich Staus. Zu Fuß, auf Mopeds, mit Autos und Kleinlastern flohen die Bewohner der Insel Sumatra von der Küste. Viele Indonesier suchten in Moscheen Zuflucht. Indonesiens Präsident Yudhoyono gab sich gelassen: „Es gibt etwas Panik, aber die Menschen können sich auf höhergelegene Stellen retten.“
Hauptsache aufwärts, war die Devise, auf Anhöhen, in die Berge. Den Einwohnern haben sich die Erinnerungen an das verheerende Beben und den Tsunami von Weihnachten 2004 in die Erinnerung gebrannt. Damals überrollten meterhohe Killerwellen den gesamten Küstenstreifen und rissen fast alles Leben mit sich. 170 000 Menschen kamen allein auf Sumatra ums Leben. „Ich bin immer noch traumatisiert von dem Tsunami damals“, sagt Mariam, die mit Nachbarn aus der Innenstadt von Banda Aceh in den höher gelegenen Stadtteil Matai'i geflohen ist. „Ich gehe nur zurück, wenn ich sicher bin, dass die Gefahr vorbei ist.“
Die Menschen sind durch das heftige Beben auf einen Schlag zurückversetzt an jenen Dezembertag, als über Sumatra die Tsunami-Katastrophe hereinbrach. Damals waren Tsunamis nur wenigen Leuten ein Begriff. Es gab kein Warnsystem. Die Wucht der Wellen zerstörte die Küste damals über hunderte Kilometer. Ganze Fischerdörfer wurden ausgelöscht. In weiten Teilen von Banda Aceh fiel am Mittwoch der Strom aus, die Stadt versank am Abend im Dunkel. Zahllose Einwohner harrten in den Anhöhen hinter der Stadt aus und stellten sich vorsichtshalber auf eine Nacht im Freien ein.
Das Beben mit einer Stärke von 8,6 ereignete sich laut der US-Erdbebenwarte 500 Kilometer südwestlich von Banda Aceh an der Nordwestspitze der indonesischen Insel Sumatra in einer Tiefe von 33 Kilometern. Die Erdstöße waren auch in Singapur, bis in Thailands Hauptstadt Bangkok, im Süden Indiens, in Bangladesch und in Sri Lanka zu spüren. Sri Lankas Minister für Naturkatastrophen Mahinda Amaraweera forderte die Menschen auf, nicht in Panik auszubrechen. Falls ein Tsunami komme, sei genügend Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Der Hafen im indischen Chennai wurde geschlossen.
Verantwortliche von sechs Provinzen in Thailand forderten die Einwohner der Küstenregionen auf, sich in höhergelegene Orte zurückzuziehen. Der internationale Flughafen auf der Ferieninsel Phuket wurde geschlossen. Phuket gehörte 2004 zu den am schlimmsten betroffenen Regionen der Tsunami-Katastrophe. „Gäste aus teuren Hotels wurden auf Hügel gebracht, und die Einwohner fuhren in Autos und auf Mopeds weg. Jeder schien ruhig, die Warnung erfolgte frühzeitig“, sagte Journalist Apichai Thonoy am Telefon.
Das Beben am Mittwoch ereignete sich in der Region, die auch von dem schweren Tsunami im Dezember 2004 erschüttert wurde. Damals kamen insgesamt 230 000 Menschen in 13 Ländern ums Leben. Bei dem neuen Beben habe es sich um eine sogenannte Blattverschiebung gehandelt, erläuterte ein Experte in der britischen BBC. Dabei verschöben sich die Platten horizontal und nicht vertikal. Somit würde weniger Wasser verdrängt und das Risiko eines Tsunami sei geringer.
Mehrere Reiseveranstalter meldeten, die Lage in den wichtigen Urlaubsländern am Indischen Ozean wie Thailand, Sri Lanka oder den Malediven sei unmittelbar nach dem Beben ruhig geblieben. Der Flughafen von Phuket war vorübergehend geschlossen worden. „Die Tsunami-Frühwarnsysteme in den Ländern haben funktioniert“, sagte ein Sprecherin des größten deutschen Tourismuskonzerns TUI. Nach den Beben hatten die Börden vor einer drohenden Flutwelle gewarnt. Die Urlauber wurden von Hotels und Reiseleitern informiert und zum Teil in höher gelegene Gebiete gebracht. Als das Tsunami-Warnzentrum Entwarnung für die Länder rund um den Indischen Ozean gab, kehrten die Gäste in ihre Ferienanlagen zurück. Etwa 2800 deutsche TUI-Urlauber hielten sich in der Umgebung von Phuket und Khao Lak auf. Der Reiseveranstalter Thomas Cook betreut derzeit mehrere hundert Gäste in der Region um Phuket und bis zu 300 Urlauber auf Sri Lanka. Auch hier hies es: „Das nach der Katastrophe von 2004 eingerichtete Warnsystem hat gut funktioniert“, so ein Thomas-Cook-Sprecher. Auch alltours meldete: „Das Frühwarnsystem in den Zielgebieten scheint funktioniert zu haben.“
Nach der Tsunami-Katastrophe im Jahr 2004 war ein Frühwarnsystem in den Ländern rund um den Indischen Ozean eingerichtet worden. Sirenen am Strand warnen vor möglichen Tsunamis, ausgeschilderte Fluchwege führen zu Sammelpunkten und sicheren hochgelegenen Orten. Mit Material von dpa