SPD, Grüne und Linke starten einen neuen Anlauf für eine schärfere Gangart im Umgang mit Steuerbetrügern. Nach der immer brisanter werdenden Affäre um Bayern-Präsident Uli Hoeneß (siehe Artikel auf der Titelseite) wollen Sozialdemokraten und Grüne die Hürden für strafbefreiende Selbstanzeigen reuiger Steuerbetrüger weiter erhöhen.
Sie ermöglicht Schwarzgeld-Anlegern bei voller Aufklärung und Nachzahlungen bisher Straffreiheit. Die Linke fordert eine komplette Abschaffung des Privilegs. Union und FDP sprachen sich am Dienstag in Berlin für den Fortbestand der geltenden Regeln aus. Sie verwiesen darauf, dass die schwarz-gelbe Koalition die Vorgaben bereits im Jahr 2011 verschärft habe.
Nach Ansicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel sollte eine strafbefreiende Selbstanzeige auf Bagatelldelikte begrenzt und das Privileg deutlich eingeengt werden. Eine sofortige und komplette Abschaffung schloss Gabriel aus. „Trotzdem muss es die Möglichkeit geben für Menschen, die einmalig eine Steuerstraftat begangen haben, auch wieder rauszukommen und nicht jedes Jahr erneut in der Falle zu bleiben.“ Jeder sollte in den nächsten ein, zwei Jahren die Chance haben, sich zu offenbaren. Wichtiger sei, Konten vor dem Fiskus offenzulegen und das Steuergeheimnis fallen zu lassen.
Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück verteidigte das Prinzip der Straffreiheit bei einer Selbstanzeige wegen Steuerbetrugs. „Ich bin dafür, dass das Recht auf Selbstanzeige bleibt“, sagte er im RBB-Inforadio. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß nannte die Selbstanzeige ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert. Nach der Bundestagswahl müsse mit den Ländern geklärt werden, ob dies noch in einen modernen Instrumentenkasten passe und ob es nicht das Gerechtigkeitsempfinden verletze.
Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin sprach sich gegen Straffreiheit bei schweren Betrugsfällen aus. Die bestehende Regelung möge passend sein für Bagatelldelikte, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Anders sei dies bei der Hinterziehung von mehr als einer Million Euro. Hier sollte eine Strafbefreiung durch Selbstanzeige nicht mehr wirken. Nötig sei mehr Ausgewogenheit.
Baden-Württemberg will mit einer Bundesratsinitiative den Kampf gegen Steuerbetrüger verschärfen. Dem Vorschlag zufolge soll die Frist für die strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehern in allen Fällen auf zehn Jahre verlängert werden, erläuterte Finanzminister Nils Schmid (SPD) in Stuttgart. Bislang gilt dies nur für schwere Fälle, in allen übrigen ist die Frist fünf Jahre.
Linken-Chefin Katja Kipping kündigte an, ihre Partei werde am Freitag den Bundestag über die Abschaffung der Straffreiheit bei Selbstanzeige abstimmen lassen. „Ich baue auf die Vernunft in allen Fraktionen.“ Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) wies Forderungen nach Abschaffung oder Korrekturen zurück. Ohne die Regelung könnten viele Delikte nicht oder nur mit großem Aufwand aufgeklärt werden: „Wir haben vor zwei Jahren die Anforderungen an die strafbefreiende Selbstanzeige mit Absicht verschärft.“ So müsse die Selbstanzeige rechtzeitig erfolgen und das Delikt vollständig erklärt werden. Sonst gebe es keine Strafbefreiung. Ferner würden bei einem Betrag von mehr als 50 000 Euro nicht nur die hinterzogene Steuer und Zinsen, sondern auch ein Zuschlag von fünf Prozent erhoben.
FDP-Fraktionsvize Volker Wissing bezeichnete die Selbstanzeige im Steuerstrafverfahren als „in ihrer bestehenden Form sachgerecht und verhältnismäßig“. Selbstanzeigen würden in vielen Fällen zu höheren Zahlungen an den Fiskus führen als die eigentlichen Steuerstrafverfahren. Nach dem Ende 2012 gescheiterten Steuerabkommen mit der Schweiz verzeichnen die Länder nach einer dpa-Umfrage vom Montag keinen spürbaren Anstieg von Selbstanzeigen.
Was der Staat abgreift
Das Steuerabkommen mit der Schweiz wäre offenbar doch kein Sparmodell gewesen: Nach Angaben des Steuerexperten Frank Hechtner hätte ein Betrüger nach dem gescheiterten Abkommen mehr Steuern zahlen müssen als bei einer Selbstanzeige, wenn er nur die Zinserträge vor dem Fiskus verheimlicht hat, das transferierte Vermögen aber bereits versteuert war. Wer vor zehn Jahren zwölf Millionen Euro auf ein Schweizer Bankkonto legal transferiert hat und dafür pro Jahr fünf Prozent Zinsen erhalten hat, müsste bei einer Selbstanzeige einschließlich Zinsen und Strafzuschlag etwa 3,3 Millionen Euro nachzahlen. Das Steuerabkommen hätte zu Belastungen von 4,1 Millionen Euro geführt, der Betrüger wäre aber anonym geblieben.
ONLINE-TIPP
Stationen aus Uli Hoeneß' Leben zeigt unsere Bilderreportage unter: www.mainpost.de/zeitgeschehen