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ABUJA
Offenbar Hunderte Tote im Norden Nigerias
Die Stadt Baga im Norden Nigerias: Das Archivfoto zeigt Regierungssoldaten bei einer Patrouille. Die Terrorgruppe Boko Haram soll in der Stadt und umliegenden Dörfern mehrere Hundert Menschen getötet haben.
Foto: Pius Utomi Ekpei, afp | Die Stadt Baga im Norden Nigerias: Das Archivfoto zeigt Regierungssoldaten bei einer Patrouille. Die Terrorgruppe Boko Haram soll in der Stadt und umliegenden Dörfern mehrere Hundert Menschen getötet haben.
dpa
 |  aktualisiert: 09.01.2015 19:03 Uhr

Das mit rund 150 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Land Afrikas droht auseinanderzubrechen. Die islamistische Terrororganisation Boko Haram kontrolliert inzwischen weite Landesteile im Nordosten Nigerias. Die Regierung in Abuja wirkt angesichts immer neuer Schreckensmeldungen über Anschläge, Entführungen und tödliche Angriffe der Gruppe völlig hilflos.

Präsident Goodluck Jonathan konzentriert sich offenbar ganz darauf, seine Wiederwahl in wenigen Wochen zu sichern. Doch Experten warnen, dass die Spannungen zwischen Muslimen und Christen in dem ölreichen Land nach der Wahl Mitte Februar noch weiter eskalieren könnten.

Die nigerianischen Streitkräfte wollen die von der islamistischen Terrororganisation Boko Haram eingenommenen Ortschaften im Nordosten des Landes zurückerobern. Das sagte ein ranghoher Regierungsvertreter örtlichen Medienberichten zufolge. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass bei den Angriffen der Terrororganisation rund um die Stadt Baga im Bundesstaat Borno in den vergangenen Tagen offenbar Hunderte Menschen getötet worden sind.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk teilte am Freitag mit, etwa 7300 Flüchtlinge seien allein in den vergangenen zehn Tagen im benachbarten Tschad angekommen, um sich vor den Kämpfen rund um Baga in Sicherheit zu bringen. Der Sprecher des nationalen nigerianischen Informationszentrums, Mike Omeri, sagte der Zeitung „Premium Times“ zufolge jedoch, die Lage in Baga habe sich bereits gebessert. Er weigerte sich aber Einzelheiten zu nennen, da es sich um einen laufenden Militäreinsatz handle. Die Regierung äußerte sich nicht zu möglichen Opferzahlen.

Zwei örtliche Beamte im umkämpften Nordosten des Landes wiesen Medienberichte entschieden zurück, wonach bei den Angriffen der Terrorgruppe bis zu 2000 Menschen getötet worden seien. Es seien rund ein Dutzend Dörfer zerstört worden und es gebe möglicherweise Hunderte Opfer, räumte einer von ihnen ein. Boko Haram hatte Baga schon vor wenigen Tagen angegriffen, eine Militärbasis überrannt und Teile der Stadt niedergebrannt.

In der umkämpften Region funktionieren Telefonverbindungen nur noch sehr eingeschränkt, weshalb Informationen häufig erst spät und ungenau nach außen dringen.

Boko Haram will im Norden Nigerias und in den angrenzen Gebieten Kameruns und des Tschads einen Gottesstaat errichten. Bei Terroranschlägen der sunnitischen Organisation sind in dem ölreichen westafrikanischen Staat allein im vergangenen Jahr Tausende Menschen getötet worden.

Staatschef Jonathan, in dessen Amtszeit seit 2010 der Boko-Haram-Terror eskalierte, versucht vor der Wahl, die Verantwortung von sich zu weisen. In einer Rede zum offiziellen Wahlkampfauftakt wies er dem Oppositionskandidaten Buhari, der das Land von 1983 bis 1985 als Militärmachthaber regierte, die Schuld für die schlechte Ausrüstung der überforderten Streitkräfte zu. Die Berichte über Hunderte Todesopfer bei Angriffen der Terroristen im Norden des eigenen Landes in den vergangenen Tagen erwähnte er demzufolge gar nicht, er verurteilte einzig den Terroranschlag in Paris. Vor der Wahl am 14. Februar zeichnet sich ein knappes Rennen zwischen Jonathan aus dem mehrheitlich christlichen Süden und Buhari aus dem muslimischen Norden ab.

Boko Haram

Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram führt im muslimischen Norden Nigerias einen Krieg für einen islamischen Staat. Ihr Ziel ist es, die Scharia (islamische Rechtsprechung) einzuführen. Über Organisationsstrukturen und Mitgliederzahlen liegen keine gesicherten Informationen vor.

Ursprünglich war die Gruppe als Sekte ins Leben gerufen worden. Seit November 2013 steht sie auf der Terrorliste des US-Außenministeriums. Demzufolge soll sie Kontakte zu nordafrikanischen El-Kaida-Ablegern haben.

Die Boko Haram verübt in dem westafrikanischen Land seit Jahren blutige Anschläge, denen nach Schätzungen bereits über 5000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Anfang 2014 verstärkten die Extremisten ihren Kampf. Seither kam es fast wöchentlich zu Angriffen, Attentaten und Entführungen.

Nur in seltenen Fällen – wie bei der Entführung von über 200 Mädchen in der Provinz Borno im April vergangenen Jahres – bekannte sich Boko Haram zu den Taten. Von den Schülerinnen fehlt bis heute jede Spur. Die Behörden lasten der Gruppe aber zahlreiche weitere Angriffe auf Dörfer, Märkte, Polizeistationen, Schulen, Kirchen und Lokale an. Text: dpa

 
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