Vor der Wahl in der Türkei im Juni soll es in Österreich keine Wahlveranstaltungen von türkischen Politikern geben. „Diese Auftritte sind unerwünscht, und wir werden sie nicht zulassen“, teilte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit. „Damit werden Konflikte aus der Türkei in die EU hineingetragen.“ Kurz bestätigt damit seine harte Linie gegenüber der Türkei, die sich auch in der Forderung nach Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen zeigt. Ein im vergangenen Jahr geändertes Versammlungsgesetz ermöglicht es, Veranstaltungen zu verbieten, die den Interessen Österreichs schaden oder der politischen Betätigung von Drittstaatenangehörigen dienen.
Laut Kurz versucht die Regierung Erdogan seit Jahren, „die türkischstämmigen Communitys in Europa zu instrumentalisieren“. Ein Beispiel dafür beschäftigt die österreichische Öffentlichkeit seit Dienstag. Fotos und ein Video aus einer Wiener Moschee zeigen Kinder in Tarnuniformen der türkischen Armee. Sie exerzieren und schwenken Fahnen. Einige liegen bedeckt mit türkischen Flaggen als „Leichen“ am Boden. Manche „Soldaten“ verabschieden sich von ihren „Frauen“ – kleinen Mädchen mit Kopftüchern –, um in den Krieg zu ziehen.
Widersprüchliche Äußerungen
In einer der größten Moscheen von Wien wurde mit der Inszenierung unter dem Beifall von Eltern und Imam der Schlacht von Canakkale (Gallipoli) während des Ersten Weltkrieges gedacht, bei der 1915 100 000 Soldaten starben. Heute dient die Schlacht türkisch-nationalistischer Propaganda. Kanzler Kurz sieht dafür in Österreich „keinen Platz“. Sein zuständiger Kanzleramtsminister Gernot Blümel lässt jetzt prüfen, ob Kinderkriegsspiele in Moscheen zum Alltag gehören.
Die Islamische Glaubensgemeinschaft IGGÖ und die türkische Dachorganisation Atib müssen dazu innerhalb einer Woche Auskunft geben. Bisher sind deren Äußerungen widersprüchlich und ausweichend. Atib gibt vor, nichts mit der Aufführung zu tun zu haben. Nachdem man davon erfahren habe, sei sie abgebrochen worden. Der Verantwortliche Imam habe seine Position räumen müssen. Die Moschee diene ausschließlich religiösen Zwecken. Doch die Fotos stammen aus den Jahren 2016 und 2018.
Atib ist die Türkisch-Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich und hat mehr als 100 000 Mitglieder. Sie betreibt Kindergärten und vertritt als Dachverband 65 Moscheevereine. Gesteuert wird Atib vom türkischen Amt für Religion. Sie gilt als verlängerter Arm der türkischen Regierung. Die Islamische Glaubensgemeinschaft IGGÖ distanzierte sich von den Vorfällen und kündigte interne Ermittlungen an. Zur IGGÖ gehören sechs Atib-Kultusgemeinden. Der Präsident der IGGÖ, Ibrahim Olgun, ist selbst Vertreter der Atib. Er wurde in der Türkei zum Iman ausgebildet.
Ähnliche Inszenierungen
Parallelen werden inzwischen zu ähnlichen Inszenierungen in Deutschland gezogen. Aus Herford, Ulm und Mönchengladbach seien Fotos mit türkischen Kindern in Uniformen und mit Spielzeugwaffen bekannt. Atib aufzulösen, kann trotz der Entschlossenheit der Regierung schwierig werden. Minister Blümel hat angekündigt, alle Moscheen und Geldflüsse zu überprüfen. In Österreich ist es nach dem Islamgesetz nicht erlaubt, dass Imame aus der Türkei bezahlt werden. Bis 2015 waren viele Imame Beamte der Türkei. Jetzt sind 20 Atib-Moscheen ohne Imam. Früher war der Atib-Vorsitzende auch der Religionsattaché der türkischen Botschaft. Auch das änderte sich mit dem neuen Islamgesetz.