In den USA werden die Kandidaten für das Amt des Präsidenten nicht von den Spitzen der Parteien bestimmt, sondern von ihrer Basis in den einzelnen Bundesstaaten. In diesen Vorwahlen, den Caucuses und Primaries, entsteht über Monate ein Stimmungsbild. An diesem Dienstag geht es los – und das Rennen bei den Republikanern ist so eng wie lange nicht mehr: Was die Basis tatsächlich von den Aspiranten hält, entscheidet sich erst im Laufe dieser Vorwahlen. Und obwohl die beiden ersten, die traditionell in Iowa und New Hampshire stattfinden, wenig repräsentativ sind, haben sie in der Vergangenheit doch oft wichtige Weichen gestellt. Unter den sieben verbliebenen Bewerbern gibt es diesmal ungewöhnlich viele mit echten Chancen.
Die Republikaner wittern nach dem Erdrutschsieg des demokratischen Amtsinhabers Barack Obama im Jahr 2008 jedenfalls schneller Morgenluft als gedacht: Die Wirtschaft läuft nicht, Obama wirkt wenig bürgernah, viele seiner Anhänger sind von ihm enttäuscht. Tatsächlich streiten sich die Kandidaten der Grand Old Party (GOP) auch nicht etwa darüber, wie sie die Mitte zurückgewinnen könnten. Das öffentliche Ringen dreht sich vielmehr darum, wer am konservativsten ist, aber für die vermutete Mitte gerade noch wählbar.
Hauptthemen sind: der Schutz des ungeborenen Lebens, die Frage nach der gleichgeschlechtlichen Ehe, die Rücknahme von Obamas Gesundheitsreform, der Schutz der Grenzen, der Einsatz militärischer Mittel gegen den Iran und die Sanierung des Bundeshaushalts – gleichzeitig sollen freilich die Steuern sinken, weshalb die Kandidaten unterschiedlich radikale Vorstellungen zur Reduzierung der Ausgaben unterhalten.
Das Versprechen, als Außenseiter in Washington mal so richtig aufzuräumen, gehört zwar zur amerikanischen Wahlkampf-Folklore; nicht zuletzt Barack Obama ist damit ins Weiße Haus eingezogen. Der Blick auf die Realität geht der Basis aber offenbar auch nicht verloren, denn die Ikone der kompromisslosen Tea-Party-Bewegung, Michele Bachmann, hat allen Umfragen zufolge keinerlei Chancen. Nichtsdestotrotz steht sie für den Unwillen einer breiten Bewegung in der Partei, über weltanschauliche Themen überhaupt noch zu diskutieren – das traditionelle, stark religiös geprägte Wertesystem soll endlich wieder in altem Glanz erstrahlen. In Iowa wird den Stimmen der Evangelikalen großer Einfluss zugeschrieben. Ihre Hauptsorge: Die Alternativen zum als liberal verschrienen Favoriten Mitt Romney, der selbst Mormone ist, sind so zahlreich, dass sie sich gegenseitig neutralisieren könnten.
Da ist zum Beispiel Rick Perry, nicht nur als Rekordhalter im texanischen Gouverneurssessel ein politisches Pfund. Der 61-Jährige versteht es auch, die Anhänger der republikanischen Tea-Party-Bewegung anzusprechen – wenn nötig, lässt er gegen „die da in Washington“ schon mal die Drohung einer Abspaltung anklingen. Allerdings: Seine ersten Auftritte in den TV-Debatten waren so unterirdisch, dass sich seine Umfragewerte noch nicht erholt haben. Oder Jon Huntsman, zweifellos konservativ, aber auch ein unabhängiger Kopf: Dass der ehemalige Gouverneur von Utah sich von Barack Obama als Botschafter nach China senden ließ, hat seine Partei nachhaltig irritiert. In den Umfragen stößt die Kandidatur des 51-Jährigen bisher auf wenig Echo.
In Fernsehdebatten, Zeitungsbeiträgen, Anzeigenkampagnen und auf der Ochsentour durch die einzelnen Staaten durchleuchten die Bewerber nun gegenseitig ihre Vita; nicht alle waren in der Vergangenheit so stramm rechts, wie sie die Basis heute glauben machen wollen. Ist der Gegner Obamas erst einmal gefunden, wird freilich wohl ein ganz anderes Thema die Auseinandersetzung dominieren, nämlich die Frage, wer die USA wirtschaftlich wieder auf Kurs bringen kann.
Alle republikanischen Kandidaten sind für den Bau der sogenannten Keystone-XL-Pipeline von Kanada an den Golf von Mexiko, von der sie sich mehrere Zehntausend Arbeitsplätze versprechen, während Obama aus Rücksicht auf seine umweltbesorgten Wähler mit der Entscheidung zögert. Ansonsten ist gegen den Amtsinhaber neben Eloquenz vor allem Expertise gefragt, weshalb der Basis in den meisten Umfragen auch mindestens zwei Fragen gestellt werden: Für welchen Kandidaten ihr Herz schlägt – und, welchem sie die besten Chancen gegen Obama einräumen.
Die Ergebnisse waren lang unterschiedlich und bis in die letzten Tage hinein in heftiger Bewegung. Die einzigen Konstanten sind der ewige Außenseiter Ron Paul und der frühere Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, der sich seit Monaten an der Spitze der entsprechenden Erhebungen hält, ohne sich richtig absetzen zu können. Auch keine einfache Position: Wenn er die Erwartungen nicht bald mit Ergebnissen bedienen kann, wird es schwierig, die nötige Siegerdynamik aufrechtzuerhalten. Sein Sieg bei der Primary in New Hampshire, der zweiten der Vorwahlen, gilt als ziemlich sicher. Sollte es Romney gelingen, schon in Iowa zu gewinnen, hätte er einen ersten Pflock eingeschlagen. Mehrere andere haben diese Chance freilich auch: Einen spannenden Auftakt bietet der 3-Millionen-Einwohner-Staat allemal.
Vorwahlen der US-Republikaner
1144 Schritte zur Nominierung: Für die Bewerber um die Präsidentenkandidatur der Republikaner ist 1144 eine bedeutende Zahl. So viele Delegiertenstimmen benötigen sie bei ihrem Wahlkongress Ende August in Florida, um sicher zum Herausforderer von Präsident Barack Obama (50) ernannt zu werden. Die insgesamt 2286 Delegierten vertreten bei dem Parteitag die 56 US-Bundesstaaten, die Hauptstadt Washington und die Territorien Puerto Rico, Guam, Amerikanisch Samoa, Virgin Islands (Jungferninseln) und die Nördlichen Marianen. Die Delegiertenstimmen sammeln die Bewerber also in 56 Vorwahlen, die an diesem Dienstag in Iowa und nächste Woche in New Hampshire beginnen und am 26. Juni in Utah enden. In dem Prozess bestimmt die Basis ihren Kandidaten für die Präsidentenwahl, nicht die Parteispitze. Das Abstimmungsverfahren ist komplex und von Staat zu Staat unterschiedlich. Die Primary ist vielerorts üblich. Dabei gehen die Wähler in ein Wahllokal. Bei einer offenen Vorwahl können Mitglieder unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit abstimmen. Sie könnten also auch absichtlich einen Kandidaten der Gegenpartei wählen, der ihnen chancenlos erscheint. Bei den geschlossenen Vorwahlen ist dies in der Regel nicht erlaubt. Beim Caucus, der mitunter mit einem deutschen Parteitag zur Kandidatenaufstellung vergleichbar ist, stimmen wie jetzt in Iowa eingetragene Parteimitglieder jeweils in ihren Orten über die Kandidaten ab. Sie treffen sich dazu in öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Kirchen, aber auch in Restaurants oder Privathäusern. Dort diskutieren sie und stimmen anschließend schriftlich oder offen ab.
Viele Bundesstaaten sind für 2012 von dem Prinzip abgekehrt, dass der Vorwahl-Gewinner automatisch all ihre Delegiertenstimmen erhält. Stattdessen werden sie nun häufig proportional zu den erhaltenen Wählerstimmen abstimmen. Das könnte das Rennen viel spannender machen, weil sich nun einzelne Bewerber möglicherweise nicht mehr so klar vom Rest des Feldes absetzen können.