Wenige Wochen vor dem US-Regierungswechsel herrscht zwischen Washington und Moskau Eiszeit. Nach mutmaßlichen Cyberattacken des Kreml im amerikanischen Wahlkampf verhängte der scheidende US-Präsident Barack Obama am Donnerstag (Ortszeit) einen Strafenkatalog, darunter die Ausweisung von 35 Diplomaten sowie die Schließung von russischen Einrichtungen. Der Kreml reagierte zwar zurückhaltend. Doch der Konflikt bringt das ohnehin zerrüttete Verhältnis zwischen Moskau und Washington auf einen neuen Tiefpunkt. Und auch der Partei von Obamas Nachfolger Donald Trump droht ein tiefer Konflikt.
„Alle Amerikaner sollten von Russlands Handlungen alarmiert sein“, erklärte Obama. Im Oktober habe seine Regierung russische Manipulationsversuche im US-Wahlkampf öffentlich gemacht, die nur von höchster Ebene hätten autorisiert sein können. „Überdies haben unsere Diplomaten im vergangenen Jahr ein inakzeptables Ausmaß an Schikanen durch russische Sicherheitsdienste und die Polizei erfahren. Solche Aktivitäten haben Konsequenzen.“
Die USA belegen zwei russische Geheimdienste, drei Firmen und sechs Personen mit Strafmaßnahmen. Es ist das erste Mal, dass Washington die Namen von Organisationen und Individuen nennt, die sie hinter den Cyberattacken vermutet.
Die Geheimdienste GRU und FSB werden als treibende Kräfte gebrandmarkt, die Technologiezentren Special Technology Center, Zorsecurity und ANO PO KSI als Helfer. Der Chef des GRU, Igor Valentinovich Korobov, wird mit persönlichen Strafen belegt, das gilt auch für seinen Vize Sergey Aleksandrovich Gizunov sowie die beiden Führungskräfte Igor Olegovich Kostyukov und Vladimir Stepanovich Alexseyev.
Das US-Finanzministerium stellte zwei weitere Russen an den Pranger, die sich aus privatem Gewinnstreben als Hacker betätigt haben sollen. Einem wird vorgeworfen, US-Institutionen und Unternehmen um mehr als hundert Millionen Dollar erleichtert zu haben. Der zweite soll die Kundendaten von mindestens drei E- Commerce-Firmen gestohlen haben.
Obama kündigte an, das Außenministerium werde zwei russische Einrichtungen in Maryland und New York schließen, die für Geheimdienstzwecke genutzt würden, und 35 russische Geheimdienstler zu unerwünschten Personen erklären. Sie erhielten 72 Stunden, um das Land mit ihren Familien zu verlassen.
Obama erklärte, die Antwort der USA erschöpfe sich nicht in den beschriebenen Schritten. „Wir werden weiterhin verschiedene Maßnahmen treffen“, sagte er. „Manche davon werden nicht öffentlich sein.“ Für seine Anordnung hat er den Wortlaut einer bestehenden Exekutivverfügung gegen Cyberangriffe aus dem Jahr 2015 ergänzt. Die Zusätze sollen Antworten auf Manipulationen und Falschinformationen ermöglichen, die sich gegen Wahlen oder demokratische Institutionen richten. Die Sanktionen bestehen unter anderem in Einschränkungen der Reisefreiheit und dem Einfrieren von Vermögen.
Obamas Regierung will den Kongress in den nächsten Tagen über russische Cyberangriffe im Wahlkampf informieren. Informationen des Ministeriums für Heimatschutz und der Bundespolizei FBI sollen Computerspezialisten in den USA und außerhalb helfen, sich gegen russische Attacken zu schützen.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow erklärte in Moskau zunächst, die US-Anschuldigungen entbehrten jeder Grundlage. Sein Amt habe vorgeschlagen, im Gegenzug 35 US-Diplomaten aus Russland auszuweisen und zwei US-Einrichtungen im Land zu schließen. Am Freitag sagte Präsident Wladimir Putin aber, ein solcher Schritt werde nicht erfolgen. Die Wiederherstellung der Beziehungen hänge von der nächsten US-Regierung unter Donald Trump ab. Trump wird am 20. Januar vereidigt.
Während des jüngsten US-Wahlkampfs waren E-Mails der demokratischen Parteileitung gehackt und der Online-Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt worden. Das gleiche Schicksal war Nachrichten von John Podesta widerfahren, dem Kampagnenchef der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. US-Geheimdienste haben Russland als Urheber ausgemacht, die private amerikanische Sicherheitsfirma Crowdstrike kam zum selben Ergebnis.
Der republikanische Sieger der US-Wahl, Donald Trump, hat solche Befunde bislang ignoriert. „Ich denke, wir sollten uns jetzt Wichtigerem zuwenden“, hatte er zuletzt am Mittwoch erklärt. Das Computerzeitalter sei verwirrend. Später kündigte er allerdings an, sich nächste Woche doch einmal von den Geheimdienstlern unterrichten lassen zu wollen.
Im US-Kongress finden die Sanktionen in Donald Trumps eigener Partei Unterstützung. Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan nannte sie nicht nur angemessen, sondern überfällig. Der konservative Senator Lindsey Graham twitterte, er werde sich zusammen mit seinem Partei- und Amtskollegen John McCain für eine Verschärfung einsetzen. Die meisten Republikaner im Kapitol vertreten traditionell gegenüber Moskau eine harte Linie.