(afp/dpa) Russland nimmt es mit den Menschenrechten nicht so genau. Zuletzt waren es schwulenfeindliche Gesetze, die weltweit Fassungslosigkeit auslösten. Einige westliche Politiker wollen dagegen ein Zeichen setzen, indem sie 2014 nicht zu Olympia nach Sotschi reisen.
Barack Obama hat sich ein besonders subtiles Mittel überlegt, um Russland bloßzustellen. Der amerikanische Präsident beruft zwei homosexuelle Sportler in die US-Delegation, die zu den Winterspielen reisen wird. Die Tennis-Legende Billie Jean King und die ebenfalls lesbische Eishockeyspielerin Caitlin Cahow werden Olympia-Botschafter der Vereinigten Staaten.
Prominente Politiker gehören der Gruppe nicht an – anders als bei früheren Spielen. Auch das spricht eine klare Sprache. Bei Olympia 2010 im kanadischen Vancouver vertraten Vizepräsident Joe Biden und seine Frau Jill die Vereinigten Staaten. Und bei den Sommerspielen in London im vergangenen Jahr reiste unter anderem First Lady Michelle Obama an. Und nun also zwei lesbische Sportlerinnen als bekannteste Gesichter. „Die US-Delegation zu den Olympischen Spielen repräsentiert die Vielfalt, welche die USA ausmacht“, sagt die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Caitlin Hayden. Ein deutliches Signal gegen die wachsende Intoleranz gegenüber Homosexuellen in Russland.
Die Regierung in Moskau steht seit Monaten wegen eines Gesetzes gegen „Homosexuellen-Propaganda“ in der Kritik. Homosexuellengruppen, Bürgerrechtler und Prominente fordern den Boykott der ersten Olympischen Spiele in Russland seit der Sowjetzeit.
Mehrere Staatsoberhäupter haben bereits angekündigt, Sotschi nicht zu besuchen. Darunter ist neben Frankreichs Präsident François Hollande und EU-Kommissarin Viviane Reding auch Bundespräsident Joachim Gauck. Fast zwei Drittel der Deutschen finden diese Entscheidung richtig. Zwar begründete Gauck sein Fernbleiben nicht explizit mit den Menschenrechtsverletzungen in Russland. Dennoch werden solch prominente Absagen im Kreml mit großer Aufmerksamkeit wahrgenommen. Schließlich dienen große Sportereignisse stets auch als Bühne, um ein Land weltweit in ein möglichst positives Licht zu rücken.
So ist es sicherlich kein Zufall, dass knapp zwei Monate vor der Eröffnung der Spiele im Zuge einer Massenamnestie auch Tausende Kritiker von Präsident Wladimir Putin freikommen sollen. Zu den insgesamt rund 25 000 Begünstigten sollen etwa die inhaftierten Mitglieder der kremlkritischen Punkband Pussy Riot gehören. Ein Boykott durch Sportler oder Politiker will da so gar nicht ins geschönte Bild passen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine Reise nach Sotschi bislang nicht ausgeschlossen. Sie sei zwar in ihren acht Jahren als Kanzlerin „noch nicht ein einziges Mal bei irgendwelchen Olympischen Spiele gewesen“, doch werde sie „noch mal schauen“, sagte Merkel. Nach Vorfreude klingt das nicht gerade.
Amerikanische Journalisten und Menschenrechtler feiern Obamas Entscheidung, zwei lesbische Sportlerinnen mit nach Sotschi zu nehmen. Die Sportkolumnistin Christine Brennan von „USA Today“ sprach von einem „Geniestreich“. Die Organisation Human Rights First erklärte, Obama sende eine positive Botschaft an die russische Gemeinde der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen.