„Spitzenposten in Washington ähneln der Situation eines Christen im Kolosseum“, hat Ashton Carter einmal geschrieben. „Man weiß nie, wann die Löwen losgelassen werden.“ Carter hat Einblick, er war bis 2013 Vize-Verteidigungsminister der USA. Vergangene Woche konnte er verfolgen, wie Pentagonchef Chuck Hagel überraschend demissionierte. Nun kehrt Carter in die Arena zurück: Am Freitag nominierte Präsident Barack Obama ihn zu Hagels Nachfolger.
Der 60-jährige Physiker aus Philadelphia übernimmt eine schwere Aufgabe: Vom Islamischen Staat (IS) bis zu Russland steht das US-Militär vor unerwarteten Herausforderungen – bei schrumpfenden Budgets. Carter hat nie gedient, gilt aber trotzdem als Veteran. Unter Bill Clinton war er in den 90ern im Pentagon bereits für die Atomwaffenpolitik zuständig. 2009 berief ihn Obama erneut ins Verteidigungsdepartment, 2011 bis 2013 war er stellvertretender Minister. Carter hat sich einen Ruf als kompetenter Manager erworben, und viele erwarten organisatorische Verbesserungen. Aber kann er sonst viel bewirken?
Die Budgetpläne liegen bis 2017 fest. Strategische Linien bestimmt der Stab des Präsidenten gern selbst. Kritiker glauben, dass das Team um Sicherheitsberaterin Susan Rice lediglich einen Handlanger suchte; daran sei auch Chuck Hagel gescheitert. Die Wahl des öffentlich relativ unauffälligen Carter, der Obama schon einmal gedient hat, setze mehr auf Loyalität denn auf neue Einflüsse.
Andere sehen in ihm einen willensstarken, bisweilen arroganten Denker, der sich ungern in die Parade fahren lässt. Das würde eher dafür sprechen, dass Obama jemanden kürt, der ihm ungeschminkte Wahrheiten sagt. An Chuck Hagel hatte er diese Eigenschaft ausdrücklich gelobt.
Doktor in theoretischer Physik
Ashton Baldwin Carter steht dem Präsidenten intellektuell nicht nach. Er hat an den Eliteuniversitäten Yale und Oxford studiert und in Harvard unterrichtet. Er hat Abschlüsse in Physik und in mittelalterlicher Geschichte; seinen Doktor machte er in theoretischer Physik. Der Geschiedene hat erzählt, dass er seine erste Stelle als elfjähriger Autowäscher verlor, weil er dem Chef altkluge Ratschläge gab. Seit 2013 arbeitete er für verschiedene Unternehmen als Vorstandsmitglied und Berater sowie als Dozent der Nobeluniversität Stanford.
Es gab durchaus schon Punkte, an denen Carters Meinung von der Politik des Weißen Hauses abwich: Er war dafür, im Irak eine Streitkraft zurückzulassen und sah die Budgetkürzungen im Pentagon als Risiko. 2006 sprach er sich für einen Militärschlag gegen Nordkorea aus, um eine atomare Bewaffnung zu verhindern. Bei einem Scheitern der Iran-Verhandlungen könnte er Obama zu einem aggressiveren Vorgehen drängen.
Damit Carter sein Amt antreten kann, muss der Senat noch zustimmen. Es wird aber nicht erwartet, dass die Opposition ihm Schwierigkeiten bereitet. Auch das ist ein Vorteil im angespannten Klima der Hauptstadt.