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PRISTINA/BELGRAD
Nur Verlierer bei der Kommunalwahl im Kosovo
Kommunalwahl im Kosovo: Gewaltausbrüche serbischer Extremisten haben den Urnengang behindert.
Foto: dpa | Kommunalwahl im Kosovo: Gewaltausbrüche serbischer Extremisten haben den Urnengang behindert.
Von dpa-Korrespondent Thomas Brey
 |  aktualisiert: 19.10.2020 09:00 Uhr

Nach den Gewaltexzessen serbischer Extremisten bei der Kommunalwahl im Kosovo gibt es offensichtlich nur Verlierer. Der EU-Plan ist gescheitert, durch eine demokratische Abstimmung die serbische Minderheit in den fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovostaat zu integrieren. Die serbische Regierung in Belgrad konnte ihre Landsleute nicht überzeugen, ihren Wahlboykott aufzugeben.

Die bestens ausgerüsteten Soldaten der NATO-geführten internationalen Schutztruppe KFOR und die Spezialpolizisten der EU-Rechtsstaatsmission (EULEX) waren nicht in der Lage, ein paar Dutzend Radikale in Schach zu halten. Dutzende Vertreter der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) nahmen Reißaus, obwohl sie die eigentlichen Wahlorganisatoren waren.

Die albanisch geführte Kosovo-Regierung hat ihr Ziel nicht erreicht, mit der Wahl ihre Macht in den serbisch dominierten Norden des Landes auszuweiten. Im Gegenteil. Durch die Versuche, die Wahllisten zugunsten albanischer Wähler auf Kosten der Serben zu manipulieren, wurde die Gegnerschaft der serbischen Minderheit nur noch angeheizt. Auch dass entgegen den Absprachen doch das Kosovo-Staatswappen auf dem Wahlmaterial auftauchte, gab böses Blut.

Das Bild der Serben im Ausland hat durch die schwere Gewalt ebenfalls gelitten. Viele alte Vorurteile wurden von den neuen Ausschreitungen bestätigt. Die SNS als größte Regierungspartei in Belgrad beschuldigte „kriminelle Gruppen, die das Ziel haben, das Machtvakuum aufrechtzuerhalten“. Die Regierung selbst räumte über ihren Sprecher ein, dass Befürworter der „13-jährigen Gesetzlosigkeit“ im Nordkosovo hinter den Attacken steckten. Das Siedlungsgebiet der Serben im Norden ist seit langem als gesetzlicher Freiraum bekannt. Wenige sind durch den groß angelegten Schmuggel von Benzin und Waffen reich geworden. Es gibt weder Gerichte noch funktionierende Gemeindeverwaltungen. Pristina hat hier nichts und Belgrad nur sehr wenig zu sagen. Die Autos fahren ohne Nummernschilder und die Polizei steckt oft tief in kriminellen Clanstrukturen. Die Profiteure dieser Lage haben kein Interesse, dass über den Aufbau staatlicher Strukturen Recht und Ordnung eingeführt werden.

Weil die EU erst nach Monaten, mit äußerster Mühe und nach vielen Rückschlägen den Aussöhnungsprozess zwischen Albanern und Serben in Gang gebracht hatte, will sie jetzt offenbar nicht durch große Neuwahlen praktisch wieder von vorn beginnen. Aus diesem Grund wurde die Gewalt als Einzelfälle heruntergespielt. Der Mord, die Attentate auf Kandidaten, die Angriffe auf ausländische Mitarbeiter und die vielen Bombenanschläge vor und bei der Wahl laufen unter ferner liefen.

Das Kosovo

Die einstige serbische Provinz Kosovo war mehrfach Schauplatz von Unruhen und bewaffneten Konflikten. Albaner beanspruchen dort als „Urbevölkerung“ die ältesten Rechte, Serben betrachten die Region als Wiege ihrer Nation. Mit einer Fläche von knapp 11 000 Quadratkilometern ist das Kosovo etwa halb so groß wie Hessen. Nach Schätzung der OSZE sind 91 Prozent der mehr als 1,8 Millionen Einwohner Albaner, vier Prozent Serben und fünf Prozent Angehörige weiterer Minderheiten. Regierungschef seit 2008 und Sieger der Parlamentswahlen von 2010 ist Hashim Thaci. Im Februar 2008 erklärte das Kosovo seine Trennung von Serbien, der neue Staat wurde zunächst unter Aufsicht der EU aufgebaut. Im Juli 2012 endete die „beaufsichtigte Unabhängigkeit“ und das Kosovo erhielt seine volle Souveränität. TEXt: dpa

 
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