Das ist ein Termin nach dem Geschmack von Horst Seehofer. Weder muss er sich die beißende Kritik des Koalitionspartners oder der Opposition anhören, noch gibt es bohrende Journalistenfragen. Stattdessen wird er von seinen Anhängern gefeiert.
In Töging am Inn im Landkreis Altötting, weit weg von Berlin und im äußersten Süden der Republik, tritt er am Donnerstagabend erstmals seit dem Ende der schweren Regierungskrise wegen der Zurückweisungen an der Grenze öffentlich in einem Bierzelt auf, um seine Sicht der Dinge zu erläutern. Ein Heimspiel für den CSU-Chef und Bundesinnenminister.
In Berlin grummelt es derweil gewaltig. Zwar haben CDU und CSU Anfang Juli ihr tiefes Zerwürfnis in der Ausländerpolitik beigelegt und sich mit letzter Kraft in die parlamentarische Sommerpause gerettet. Doch in der Hauptstadt ist die Skepsis groß, ob der Burgfrieden zwischen Kanzlerin und Innenminister lange hält.
Selbst in der Unionsfraktion glauben viele, dass es hinter den Kulissen brodelt. „Der Konflikt ist nur vertagt“, sagt ein führender CDU-Abgeordneter dieser Redaktion, „das kann jederzeit wieder losgehen.“ Das liege auch an der Landtagswahl in Bayern und den schlechten Umfragen für die CSU.
Geradezu genüsslich werden Berichte weitergereicht, wonach im Innenministerium, das Thomas de Maiziere (CDU) bis März mit preußischer Disziplin leitete, nun „Chaos“ herrsche. Die Behörde werde als „dilettantisch“ wahrgenommen, etliche Führungsstellen seien noch immer nicht besetzt und die neue Abteilung Heimat noch im Aufbau.
Der Ressortchef, so wird teils offen getuschelt, sitze oft nur von Dienstag bis Donnerstag an seinem Ministerschreibtisch, am Montag sei er meist in München beim CSU-Vorstand, von Freitag bis Sonntag daheim in Ingolstadt. Die Arbeit in dem Mammutressort, das auch für das Bauwesen und die Heimat zuständig ist, erledigen die acht Staatssekretäre, die Seehofer mit umfassenden Vollmachten ausgestattet hat. Aber auch die benötigen für wichtige Entscheidungen das Placet des Ressortchefs, was nicht immer einfach sei, da Seehofer manchmal stundenlang unerreichbar sei.
Kein Wunder, dass da der Koalitionspartner SPD nervös reagiert. Seehofer habe „noch kein Vorhaben richtig zu Ende gebracht“, bemängelt Innenexperte Burkhard Lischka. Mit dieser Kritik zielt er auch auf das mehrfach gegebene Versprechen des Ministers, bis Ende Juli/Anfang August Verwaltungsabkommen mit den Regierungen von Österreich, Italien, Griechenland und anderen EU-Staaten über die Rückführung von Flüchtlingen abzuschließen, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Bislang liegt allerdings noch kein Ergebnis vor.
Doch die Kritik, Seehofer verhandle nicht mit genügend Nachdruck mit den Nachbarstaaten, weist ein Ministeriumssprecher auf Anfrage unserer Zeitung zurück. Man sei „aktuell in intensiven Gesprächen“ mit den zuständigen Behörden. Allerdings muss auch das Ministerium einräumen, dass der von Seehofer ausgerufene Zeitplan wohl zu optimistisch war.
Die Opposition hat angesichts dessen nur Hohn und Spott für Seehofer übrig. „Inzwischen wird einem klar, weshalb das Bundesinnenministerium jetzt auch noch das Bauministerium ist: das BMI ist eine einzige Baustelle ungelöster Probleme und uneingelöster Ankündigungen“, sagt der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stephan Thomae aus Kempten unserer Zeitung. „Damit der Innen-, Bau- und Heimatminister jetzt nicht auch noch Bundesankündigungsminister wird, muss Herr Seehofer endlich tätig werden.“
Tätig wird der CSU-Chef tatsächlich am Donnerstag. Er legt die Schirmherrschaft für den Deutschen Nachbarschaftspreis nieder. Zwei Initiativen aus Köln und Berlin hatten ihre Nominierung abgelehnt, weil Seehofer Schirmherr war. Beide sagten, sie könnten ihre eigene Haltung nicht mit der von Seehofer in Einklang bringen.
Der Geschäftsführer der den Preis vergebenden Stiftung „nebenan.de“, Michael Vollmann, zeigte Verständnis und sagte in einem Interview, Seehofer habe zuletzt „verbal Grenzen überschritten. Der reagiert prompt: „Da Sie mir Toleranz, Mitmenschlichkeit und Offenheit absprechen, stehe ich für die Schirmherrschaft ab sofort nicht mehr zur Verfügung“, erklärt Seehofer in einem persönlichen Schreiben an Vollmann.