zurück
BERLIN
Nur ein Di-Mi-Do-Minister?
Seehofer hält erste Bierzelt-Rede       -  Zu Hause ist es doch am schönsten. Erstmals seit dem Ende der schweren Regierungskrise trat Horst Seehofer in einem Bierzelt auf – in Töging am Inn.
Foto: Armin Weigel, dpa | Zu Hause ist es doch am schönsten. Erstmals seit dem Ende der schweren Regierungskrise trat Horst Seehofer in einem Bierzelt auf – in Töging am Inn.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 02.04.2019 11:21 Uhr

Das ist ein Termin nach dem Geschmack von Horst Seehofer. Weder muss er sich die beißende Kritik des Koalitionspartners oder der Opposition anhören, noch gibt es bohrende Journalistenfragen. Stattdessen wird er von seinen Anhängern gefeiert.

In Töging am Inn im Landkreis Altötting, weit weg von Berlin und im äußersten Süden der Republik, tritt er am Donnerstagabend erstmals seit dem Ende der schweren Regierungskrise wegen der Zurückweisungen an der Grenze öffentlich in einem Bierzelt auf, um seine Sicht der Dinge zu erläutern. Ein Heimspiel für den CSU-Chef und Bundesinnenminister.

In Berlin grummelt es derweil gewaltig. Zwar haben CDU und CSU Anfang Juli ihr tiefes Zerwürfnis in der Ausländerpolitik beigelegt und sich mit letzter Kraft in die parlamentarische Sommerpause gerettet. Doch in der Hauptstadt ist die Skepsis groß, ob der Burgfrieden zwischen Kanzlerin und Innenminister lange hält.

Selbst in der Unionsfraktion glauben viele, dass es hinter den Kulissen brodelt. „Der Konflikt ist nur vertagt“, sagt ein führender CDU-Abgeordneter dieser Redaktion, „das kann jederzeit wieder losgehen.“ Das liege auch an der Landtagswahl in Bayern und den schlechten Umfragen für die CSU.

„Das Innenministerium ist eine einzige Baustelle ungelöster Probleme und uneingelöster Ankündigungen.“
Stephan Thomae, FDP-Fraktionsvize

Geradezu genüsslich werden Berichte weitergereicht, wonach im Innenministerium, das Thomas de Maiziere (CDU) bis März mit preußischer Disziplin leitete, nun „Chaos“ herrsche. Die Behörde werde als „dilettantisch“ wahrgenommen, etliche Führungsstellen seien noch immer nicht besetzt und die neue Abteilung Heimat noch im Aufbau.

Der Ressortchef, so wird teils offen getuschelt, sitze oft nur von Dienstag bis Donnerstag an seinem Ministerschreibtisch, am Montag sei er meist in München beim CSU-Vorstand, von Freitag bis Sonntag daheim in Ingolstadt. Die Arbeit in dem Mammutressort, das auch für das Bauwesen und die Heimat zuständig ist, erledigen die acht Staatssekretäre, die Seehofer mit umfassenden Vollmachten ausgestattet hat. Aber auch die benötigen für wichtige Entscheidungen das Placet des Ressortchefs, was nicht immer einfach sei, da Seehofer manchmal stundenlang unerreichbar sei.

Kein Wunder, dass da der Koalitionspartner SPD nervös reagiert. Seehofer habe „noch kein Vorhaben richtig zu Ende gebracht“, bemängelt Innenexperte Burkhard Lischka. Mit dieser Kritik zielt er auch auf das mehrfach gegebene Versprechen des Ministers, bis Ende Juli/Anfang August Verwaltungsabkommen mit den Regierungen von Österreich, Italien, Griechenland und anderen EU-Staaten über die Rückführung von Flüchtlingen abzuschließen, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Bislang liegt allerdings noch kein Ergebnis vor.

Doch die Kritik, Seehofer verhandle nicht mit genügend Nachdruck mit den Nachbarstaaten, weist ein Ministeriumssprecher auf Anfrage unserer Zeitung zurück. Man sei „aktuell in intensiven Gesprächen“ mit den zuständigen Behörden. Allerdings muss auch das Ministerium einräumen, dass der von Seehofer ausgerufene Zeitplan wohl zu optimistisch war.

Die Opposition hat angesichts dessen nur Hohn und Spott für Seehofer übrig. „Inzwischen wird einem klar, weshalb das Bundesinnenministerium jetzt auch noch das Bauministerium ist: das BMI ist eine einzige Baustelle ungelöster Probleme und uneingelöster Ankündigungen“, sagt der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stephan Thomae aus Kempten unserer Zeitung. „Damit der Innen-, Bau- und Heimatminister jetzt nicht auch noch Bundesankündigungsminister wird, muss Herr Seehofer endlich tätig werden.“

Tätig wird der CSU-Chef tatsächlich am Donnerstag. Er legt die Schirmherrschaft für den Deutschen Nachbarschaftspreis nieder. Zwei Initiativen aus Köln und Berlin hatten ihre Nominierung abgelehnt, weil Seehofer Schirmherr war. Beide sagten, sie könnten ihre eigene Haltung nicht mit der von Seehofer in Einklang bringen.

Der Geschäftsführer der den Preis vergebenden Stiftung „nebenan.de“, Michael Vollmann, zeigte Verständnis und sagte in einem Interview, Seehofer habe zuletzt „verbal Grenzen überschritten. Der reagiert prompt: „Da Sie mir Toleranz, Mitmenschlichkeit und Offenheit absprechen, stehe ich für die Schirmherrschaft ab sofort nicht mehr zur Verfügung“, erklärt Seehofer in einem persönlichen Schreiben an Vollmann.

Schadet Horst Seehofer der CSU?

Der Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer wird von einer Mehrheit der Befragten inzwischen als Belastung für seine Partei gesehen: Immerhin 56 Prozent sagten in einer Erhebung des Hamburger Umfrage-Instituts GMS, Seehofer werde die CSU Stimmen kosten. Auch von den CSU-Anhängern sagten dies 52 Prozent. Mit Seehofers Arbeit sind auch nur noch 34 Prozent der Befragten zufrieden, nach 38 Prozent Anfang Juli und 53 Prozent im April. Unverändert ist für etwa die Hälfte der befragten Bayern (51 Prozent) die Flüchtlings- und Asylpolitik sehr wichtig oder gar wahlentscheidend. Für 46 Prozent ist das Thema weniger wichtig oder unwichtig. Anfang Juli hatte das Verhältnis noch 48 zu 47 Prozent gelautet. Eine klare Mehrheit der Befragten (71 Prozent) spricht sich auch in der neuen Umfrage für „eine strengere, die Zuwanderung besser kontrollierende und begrenzende Flüchtlings- und Asylpolitik“ aus. Doch der Anteil sinkt: Anfang Juli waren es noch 79 Prozent gewesen. Zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl bleibt die CSU weit von der Verteidigung der absoluten Mehrheit im Parlament entfernt. az
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Martin Ferber
Asylpolitik
Bundesinnenminister
Bundesministerium des Innern
Burkhard Lischka
CDU
CDU/CSU-Bundestagsfraktion
CSU
CSU-Vorsitzende
CSU-Vorstand
Flüchtlinge
Horst Seehofer
Innenminister
SPD
Stephan Thomae
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen