Seine frühere Skepsis hat Mamdouh Eldamaty abgelegt. Er sei nun zu „90 Prozent sicher“, dass die fünf Radar-Scans japanischer Spezialisten in der Gruft des Tutanchamuns zwei bisher unbekannte Kammern zeigen, erklärte der ägyptische Antikenminister in Kairo.
Noch wisse man nicht genau, wie groß die Hohlräume seien. Doch die Computerauswertung der weiß-blau gestreiften Aufnahmen habe ergeben, dass die Kammer hinter der Nordwand wahrscheinlich Metalle und organisches Material enthalte, die hinter der Westwand organisches Material. Ob der Inhalt eine Mumie sein könnte, darauf wollte sich Eldamaty am Donnerstag auf seiner Pressekonferenz nicht festlegen. „Aber wir haben allen Grund weiterzumachen – und am Ende könnte die Entdeckung des Jahrhunderts stehen“, erklärte der 54-jährige Wissenschaftler, als er die Analyse seines Kollegen Hirokatsu Watanabe aus Tokio vorstellte.
Ausgelöst wurden die ungewöhnlichen Untersuchungen an der weltberühmten Grablege des Pharaos Tutanchamun bei Luxor durch den Ägyptologen Nicholas Reeves, der in den USA an der Universität von Arizona lehrt. Der Amarna-Experte hatte in seiner 16-seitigen Publikation „The Burial of Nefertiti?“ argumentiert, das im Jahr 1922 von dem britischen Archäologen Howard Carter entdeckte Grab KV 62 sei größer als bisher bekannt. Der jetzt durch die Radar-Scans ermittelte westliche Nebenraum könnte weitere Grabbeigaben Tutanchamuns enthalten, der nördliche Zusatzraum das „ungeplünderte Grab“ der Pharaonengattin Nofretete enthalten, schrieb Reeves.
Mysterium der Ägyptenforschung
Denn das vermutliche Gesamtdesign der unterirdischen Anlage im Tal der Könige bei Luxor gleiche eher einer Königinnen-Gruft und sei zunächst für Nofretete allein gedacht gewesen. Die außergewöhnliche Frau sei von Amarna nach Theben zurückgekehrt, habe sich mit der Amun-Priesterschaft ausgesöhnt, den Polytheismus wieder erlaubt und Ägypten bis zu ihrem Tod noch einige Jahre als Königin Smenkhkare regiert. Als ihr Stiefsohn und Nachfolger, der 19-jährige Tutanchamun, überraschend früh starb, habe man hastig die beiden vorderen Kammern zu dessen Grab umgewidmet, die hintere der Nofretete abgetrennt und zugemauert.
Die 1912 gefundene Büste der weltberühmten Schönheit befindet sich im Ägyptischen Museum in Berlin. „Farben wie eben aufgelegt, Arbeit ganz hervorragend“, notierte damals der deutsche Forscher Ludwig Borchardt in seinem Tagebuch, nachdem er die Kalksteinskulptur in der Stadt Amarna freigelegt hatte. Das Grab der Gattin von „Ketzerkönig“ Echnaton, dem ersten Monotheisten der Weltgeschichte, jedoch wurde nie gefunden und ist bis heute eines der großen Mysterien der Ägyptenforschung.
Die jetzt veröffentlichten Radar-Scans von Ende November stützen bislang die neue Nofretete-Spur von Nicholas Reeves. Denn die Aufnahme von der Nordwand der Grabkammer, die mit Malereien dekoriert ist, teilte sich genau in der Mitte in zwei unterschiedliche Muster. Die linke Hälfte deuten die japanischen Experten als massiven Fels, die rechte Hälfte als eine nachträglich eingezogene Wand, in der sich auch eine kleine zugemauerte Servicetür ausmachen lässt.
Forscherkrimi mit offenem Ende
Noch hat die ägyptische Expertenkommission, die die Forschungen überwacht, keine Entscheidung getroffen, ob die vermuteten Hohlräume hinter der Grabkammer Tutanchamuns angebohrt und ihr Inhalt mit einer Spezialkamera analysiert werden soll. „Vorher brauchen wir hundertprozentige Gewissheit“, erklärte Antikenminister Eldamaty, der an der Universität Trier mit einer Arbeit über den Tempel in Dendera promovierte. Und so sollen in zwei Wochen am 31. März durch noch leistungsfähigere Radar-Scans die Dicke der Trennwände und die genauen Dimensionen der benachbarten Felskammern vermessen werden.
Ob die Wissenschaftler am Ende dieses Forscherkrimis tatsächlich vor der Mumie der Nofretete stehen, kann bisher niemand sagen. Nach Meinung von Eldamaty könnte dort auch eine andere Frau aus der Familie Tutanchamuns begraben liegen – Meritaton, die Tochter Nofretetes, oder Kiya, die leibliche Mutter des jugendlichen Pharaos. „Wir gehen weiter vor – und zwar Schritt für Schritt“, erklärte er.