Am frühen Freitagmorgen um 1.08 Uhr war es geschafft. Die Haushaltspolitiker der Großen Koalition klopften sich im Paul-Löbe-Haus des Bundestags auf die Schultern und beglückwünschten sich gegenseitig. Nach elfstündigen Beratungen war es ihnen gelungen, ein Loch von rund 3,4 Milliarden Euro im Etat für dieses Jahr zu schließen, die Ausgaben im Vergleich zum Entwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) um zusätzliche zwei Milliarden auf 296,5 Milliarden zu senken und die Neuverschuldung unverändert auf 6,5 Milliarden Euro zu begrenzen.
Entsprechend zufrieden präsentierten die Haushaltsexperten von CDU/CSU und SPD, der Baden-Württemberger Norbert Barthle und sein Kollege Johannes Kahrs, das Zahlenwerk. Trotz „schwieriger Rahmenbedingungen“ und Mehrbelastungen in Milliardenhöhe sei es gelungen, die Neuverschuldung nicht ansteigen zu lassen und gleichzeitig auf Steuererhöhungen zu verzichten. Der Haushalt sei ausgeglichen, weise gar einen strukturellen Überschuss von 1,3 Milliarden Euro auf.
Damit sei die Große Koalition ihrem Ziel, im kommenden Jahr einen Etat ohne Neuverschuldung vorzulegen, einen „entscheidenden Schritt“ näher gekommen. Auch der SPD-Haushaltsexperte Kahrs sprach von einem „strukturell soliden“ Haushalt, der zwar in seinen Grundzügen von der schwarz-gelben Vorgängerregierung stamme, dennoch an einigen Stellen eine sozialdemokratische Handschrift aufweise.
Um das Loch von rund 3,4 Milliarden Euro zu schließen, das sich unter anderem durch die Rückzahlung der Brennelementesteuer und den etwas höheren Tarifabschluss im öffentlichen Dienst aufgetan hat, legten die Koalitionäre allen Resorts globale Minderausgaben auf und reduzierten den Etat des Verteidigungsministeriums zusätzlich um 400 Millionen Euro bei den Rüstungsprojekten, wegen des Bildungskompromisses mit den Ländern werden vorsorglich eingestellte 500 Millionen im Bildungsetat in diesem Jahr nicht benötigt.
Dank der guten Konjunktur gehen Union und SPD von niedrigeren Ausgaben für das Arbeitslosengeld II aus und rechnen mit höheren Steuereinnahmen als vorhergesagt. Nicht zuletzt profitiert der Bund von der Niedrigzinspolitik der EZB, nach der erneuten Senkung der Leitzinsen am Donnerstag könnten die Zinsausgaben in diesem Jahr noch einmal um 1,2 Milliarden sinken.
Dagegen fuhren die Vertreter der Opposition schwere Geschütze auf. Roland Claus von der Linksfraktion und Sven-Christian Kindler von den Grünen warfen den Koalitionären eine unsolide Haushaltspolitik, „organisierten Selbstbetrug und Täuschung der Öffentlichkeit“ (Claus) sowie eine „Haushaltspolitik a la Las Vegas“ (Kindler) vor. Union und SPD, so ihr Vorwurf, hätten sich kurzerhand über die offizielle Steuerschätzung vom Mai hinweggesetzt und die Steuereinnahmen um 800 Millionen Euro höher angesetzt als von den amtlichen Schätzern prognostiziert, um auf diese Weise ihre Löcher zu stopfen. Dies sei ein „außerordentlicher politischer Affront“, wetterte Kindler, sein Kollege Claus nannte das Vorgehen der Koalitionäre einen „unintelligenten und beleidigenden Täuschungsversuch“.
Gleichzeitig warfen sie der Regierung vor, sich mithilfe nicht genutzter Kredite aus dem Vorjahr eine „Portokasse“ zu schaffen, um 2014 im Zweifelsfall mehr Geld als vom Bundestag genehmigt ausgeben zu können. Zudem bemängelten sie, dass die Regierung tief in die Sozialkassen greife, um ihre neu beschlossenen Leistungen zu finanzieren.
Die Koalitionäre wiesen die Vorwürfe der Opposition zurück. Die Steuerschätzung sei im Frühjahr unter dem Eindruck der Ukrainekrise entstanden, bereits im Mai seien die Steuereinnahmen deutlich höher ausgefallen als erwartet, der Trend werde anhalten, sagte CDU-Mann Norbert Barthle.