Vor Weihnachten hielt das barbarische Bombenschicksal von Ost-Aleppo die Welt in Atem. Zu Neujahr nun schweigen die Waffen in Syrien. Die Feuerpause, ausgehandelt zwischen Russland und der Türkei, wird weitgehend eingehalten. Am Samstag stellte sich auch der UN-Sicherheitsrat einstimmig hinter die Initiative, die nach dem Willen von Wladimir Putin in politische Gespräche zwischen dem Regime von Baschar al-Assad und der Opposition münden soll.
Am 15. Januar soll es in der kasachischen Hauptstadt Astana diese Gespräche geben. Sie seien „ein wichtiger Schritt“ vor den ab dem 8. Februar in Genf geplanten Gesprächen unter Vermittlung des UN-Sonderbeauftragten für Syrien, Staffan de Mistura, so die Resolution. Einzelheiten über die Waffenruhe und den Weg zum Frieden werden in der UN-Resolution nicht genannt. Die Resolution fordert zudem erneut schnellen und sicheren Zugang für humanitäre Helfer, um die notleidende Bevölkerung zu versorgen.
Welche Aussichten hat der vom Kreml geplante Syriengipfel in Kasachstan? Fragen und Antworten zum dritten Versuch innerhalb von zwölf Monaten, das Blutvergießen in Syrien zu stoppen.
Russland hat seinem Schützling Baschar al-Assad militärisch die Oberhand verschafft, will sich aber nicht auf Dauer in den syrischen Bürgerkrieg verwickeln lassen. Ein Sieg der Rebellen ist nach dem Fall von Aleppo praktisch unmöglich geworden. Putin weiß aber auch, dass sich mit Assad als Präsident auf Dauer kein Staat mehr machen lässt. Dazu sind Widerstand und Verbitterung, Rachegefühle und Hass in der Bevölkerung zu groß. Und so arbeitet der Kreml hin auf eine langfristige, schrittweise Entmachtung des Assad-Clans. Mit einem Abgang des Diktators in zwei oder drei Jahren kann sich offenbar auch die Türkei abfinden. Deren Führung hat nach dem Putschversuch im Juli ihre außenpolitischen Prioritäten neu justiert. Ganz oben steht für Ankara jetzt der Kampf gegen eine autonome Kurdenprovinz auf syrischem Territorium, die zu einer Keimzelle eines Kurdenstaates werden könnte.
Es wundert nicht, dass der syrische Außenminister Walid al-Muallim sofort nach Teheran flog, begleitet vom Chef der Staatssicherheit. Denn für den Iran und seine schiitischen Milizen, die die Hauptlast der Bodenkämpfe tragen, steht die Zukunft Assads nicht zur Disposition. Sie hoffen nach wie vor auf einen totalen militärischen Sieg. Dies würde die Islamische Republik im Ringen mit den sunnitischen Golfstaaten zur unangefochtenen Hegemonialmacht in der Region machen. Obendrein bietet dieses Machtstreben Teherans dem Assad-Regime einen permanenten Vorwand, politische Kompromissforderungen zu unterlaufen und durch gezielte Brüche der Waffenruhe weitere Offensiven gegen die Rebellen zu starten. Russland wäre gezwungen, erneut mitzubomben, um in Konkurrenz zum Iran nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Die bewaffneten Rebellen stehen unter wachsendem Druck. Sechs ihrer sieben größten Kampfverbände haben der Feuerpause zugestimmt, darunter auch die islamistischen Ahrar al-Sham und Jaysh al-Islam. Wer von ihnen tatsächlich am Verhandlungstisch in der kasachischen Hauptstadt Astana erscheint, ist bislang offen. Ungeklärt ist auch die künftige Rolle der „Hohen Verhandlungskommission“ in Genf, die bisher von Saudi-Arabien koordiniert wurde. In der Provinz Idlib gingen am Wochenende Syrer auf die Straße, um gegen Assad zu demonstrieren und ein Leben in Freiheit zu fordern. Sie fürchten, dass sich Russland, der Iran und die Türkei über die Köpfe der regimefeindlichen Bevölkerung hinweg mit dem Diktator einigen könnten.
Im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ haben die YPG-Milizen bisher die größten Erfolge erzielt. Sie werden von den USA unterstützt und stehen der „Partei der Demokratischen Union“ (PYD) nahe, die ideologisch zum Lager der in der Türkei verbotenen PKK gehört. Auf Druck der Türkei sind die bewaffneten Kurden von dem Waffenstillstand und den Gesprächen in Astana ausgeschlossen.
Der Wechsel an der Spitze der Vereinten Nationen zu Antonio Guterres könnte zu einer Neubewertung der Genfer Gespräche führen, die bisher von Staffan de Mistura geleitet wurden. Der 69-jährige UN-Syrienvermittler wirkt amtsmüde, obwohl er für den 8. Februar neue Gespräche ankündigte. Moskau betont demonstrativ, man verstehe die geplanten Verhandlungen in Kasachstan nicht als Konkurrenz zu Genf, sondern als Ergänzung. Wie die beiden diplomatischen Schauplätze jedoch verzahnt werden sollen, ist bislang unklar.
Washington und Brüssel sind an der jüngsten Syrieninitiative bisher nur am Rande beteiligt. In den USA steht am 20. Januar der Machtwechsel im Weißen Haus bevor. Danach wird sich zeigen, ob der neue Präsident Donald Trump in Syrien der Linie Putins folgt oder nicht.