Noch vor einem knappen Jahr hatte er beste Chancen, nächster französischer Präsident zu werden. Jetzt hört man von Dominique Strauss-Kahn nur noch, wenn er wegen seiner Sex-Affären, wie vor kurzem im EU-Parlament, unwillkommen ist, ausgepfiffen wird oder sich neuen Vorwürfen stellen muss. Am Montagabend eröffnete die französische Justiz nach stundenlangen Verhören ein Anklageverfahren gegen den ehemaligen Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF). Er wird der Beihilfe zu bandenmäßiger Zuhälterei verdächtigt. Möglicherweise war der 62-Jährige auch beteiligt an der Veruntreuung von Firmengeldern bei Sex-Partys in der sogenannten„Carlton-Affäre“, bei der acht weitere Männer angeklagt sind.
Diese nahm ihren Ausgang durch einen Prostitutionsskandal um das Luxushotel Carlton in der nordfranzösischen Stadt Lille, unabhängig vom Fall des New Yorker Zimmermädchens Nafissatou Diallo, das Strauss-Kahn im vergangenen Mai der Vergewaltigung beschuldigt hatte. Wegen Zweifeln an ihrer Glaubwürdigkeit wurde die strafrechtliche Anklage fallen gelassen, doch verlor DSK, wie Strauss-Kahn in seiner Heimat genannt wird, seinen IWF-Chefposten sowie die Chance, sich wie geplant zum sozialistischen Präsidentschaftsbewerber aufstellen zu lassen. Zurück in Frankreich, verklagte ihn die Autorin Tristane Banon wegen versuchter Vergewaltigung im Frühjahr 2003. Der Vorwurf war verjährt, der Makel blieb. Und jetzt bringt die „Carlton-Affäre“ Strauss-Kahn erneut ins Zwielicht.
Organisierte Sex-Partys
Eine Gruppe von Vertrauten mit ebenso freizügigen Vorlieben, darunter ein hochrangiger Polizeichef und Geschäftsleute, die sich offenbar gut mit dem mächtigen DSK stellen wollten, hatten über Monate hinweg Sex-Partys in Paris, Wien oder Washington organisiert und diese teils über ihre Firmen abgerechnet. Strauss-Kahn will nicht gewusst haben, dass die Frauen bezahlt wurden und zwar mit veruntreuten Firmengeldern. „Wenn Ihnen jemand seine Freundin vorstellt, fragen sie nicht, ob sie eine Prostituierte ist“, rechtfertigte er sich bei Vernehmungen.
Handy-Nachrichten, in denen DSK einem Freund eine seiner Partnerinnen in „wenig dezenten Worten“ empfiehlt, wie es in französischen Medien heißt, legen allerdings einen anderen Schluss nahe. Theoretisch steht auf Beihilfe zu Zuhälterei eine Haftstrafe von bis zu 20 Jahren. Strauss-Kahn erklärte, unschuldig zu sein, teilte sein Anwalt mit.