Schon lange kämpfen syrische Regierungstruppen und Rebellen um die Kontrolle über die Wirtschaftsmetropole Aleppo, die rund 60 Kilometer südlich der türkischen Grenze liegt. Jetzt ist es der Armee mit russischer Unterstützung offenbar gelungen, den wichtigsten Versorgungsweg der Rebellen aus Aleppo Richtung Norden in die Türkei zu kappen.
Der Vormarsch der syrischen Regierungstruppen könnte die Lage in ganz Nord-Syrien verändern – und die Flüchtlingskrise in Europa verschärfen: Die Türkei befürchtet einen Flüchtlingsstrom aus der Gegend, und auch in Diplomatenkreisen ist von einer erwarteten Flüchtlingswelle von „apokalyptischen Ausmaßen“ die Rede. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte am Donnerstag, 10 000 Flüchtlinge aus Nord-Syrien warteten bereits an der türkischen Grenze, weitere 70 000 seien unterwegs.
Möglicherweise ist das erst der Anfang. Syriens Armee und verbündete Milizen rückten unter Unterstützung durch russische Luftangriffe in die Ortschaften Nubul und Zahras nördlich von Aleppo vor. Damit sei die Verbindung zwischen den in Aleppo kämpfenden Rebellen und der nahen Türkei unterbrochen worden, während die völlige Einkreisung Aleppos unmittelbar bevorstehe, sagten syrische Militärs mehreren Nachrichtenagenturen.
Es ist ein Erfolg der Armee, der auch rund 3500 Kilometer entfernt große Auswirkungen zeigte. Denn während Syriens Soldaten die Angriffe verstärkten, musste UN-Vermittler Staffan de Mistura in Genf einsehen, dass die Friedensgespräche zwischen Regime und Opposition in einer Sackgasse stecken. Er sah keinen anderen Ausweg, als die lang erwarteten Verhandlungen auf Ende Februar zu vertagen.
Nach nur wenigen Tagen stand in der Schweiz fest, dass die Kluft zwischen den Forderungen der Opposition und der realen Lage im Land zu weit auseinanderliegen. Wieder und wieder verlangten die Gegner von Präsident Baschar al-Assad das Ende der syrischen und russischen Angriffe auf Zivilisten, stattdessen intensivierte Moskaus Luftwaffe ihre Flüge. Auch dem von der Opposition geforderten Ende von Blockaden durch das Regime kamen die Gespräche kaum näher.
Mit der Unterbrechung der Gespräche zog de Mistura die Bremse. Damit gesteht der erfahrene Diplomat auch ein, dass ihm bei der wichtigsten Frage die Hände gebunden sind: einem Waffenstillstand. Denn dieser kann nur zwischen den beiden größten Mächten ausgehandelt werden, Russland als Unterstützer des Regimes und den USA als Verbündete der Opposition.
Mit Informationen von dpa