Einen klaren Vorwurf der Vorteilsnahme gibt es nicht. Die Behauptungen der britischen „Sunday Times“ in Zusammenhang mit Franz Beckenbauer und der Vergabe der WM 2022 an Katar bewegen sich eher auf dem Niveau von Kumpanei und Geschmäckle. Wichtige Fragen und Antworten zur Rolle Beckenbauers auf internationalem Fußball-Parkett.
Die britische Zeitung „Sunday Times“ behauptet, Beckenbauer sei auf Einladung des früheren katarischen FIFA-Vizepräsidenten Mohamed bin Hamamm und auf Vermittlung seines Freundes Fedor Radmann im Oktober 2009 – 14 Monate vor der WM-Vergabe – in Katar gewesen. Im Jahr 2011 soll Beckenbauer als Berater und Botschafter der E.R. Capital Holding mit Vorständen der unter anderem im Reedereigeschäft tätigen Gesellschaft erneut in Katar gewesen sein – wiederum auf Einladung von bin Hammam, dem Bestechung von FIFA-Funktionären angelastet wird.
Beckenbauer dementiert nicht explizit die Reisen nach Katar, weist aber alle Vorwürfe eines Zusammenhangs mit der WM-Vergabe zurück. „Beim Thema Korruption bin ich der falsche Ansprechpartner. Mich hat diesbezüglich noch nie jemand versucht zu beeinflussen. Zudem war ich weder jemals für die Kataris noch für Mohamed bin Hammam tätig“, sagte Beckenbauer. Tatsächlich gibt es auch von der „Sunday Times“ keine konkreten Anschuldigungen der Bestechlichkeit. Die Angelegenheit hat eher ein Geschmäckle als juristische Relevanz.
Nach der perfekten Organisation der Fußball-WM 2006 war Beckenbauer bei FIFA und UEFA ein gern gesehener Protagonist. Für den Platz im FIFA-Exekutivkomitee war er 2007 der logische deutsche Kandidat. Auch FIFA-Chef Joseph Blatter freute sich: „Wir können wieder mehr über Fußball reden und weniger über Politik. Ich setze große Hoffnungen in ihn.“ Nach nur einer Amtszeit zog sich Beckenbauer aber wieder aus dem FIFA-Amt zurück und wurde durch den mittlerweile in internationale Aufgaben strebenden Theo Zwanziger, damals DFB-Präsident, ersetzt. Als Grund nannte Beckenbauer, dass er sich mehr um seine Familie kümmern wolle.
Sein Wahlverhalten bleibt das Geheimnis von Franz Beckenbauer. Wie auch FIFA-Chef Blatter verweist der „Kaiser“ auf die geheime Abstimmung in der FIFA-Exekutive. Erstmals deutete er nun jedoch öffentlich an, dass seine Stimme nicht nach Katar ging. „Ich kann nur sagen, dass ich in Abstimmung mit dem Deutschen Fußballbund DFB für den Bewerber gestimmt habe, der uns am geeignetsten erschien, eine gute und erfolgreiche WM auf die Beine zu stellen und durchzuführen. Es hat mich selbst überrascht, dass es dann Katar wurde.“ Die Führungsspitze des DFB gilt seit jeher als Katar-kritisch. Dem Vernehmen nach war Australien der Topfavorit Beckenbauers für 2022. Für welches Land er bei der Abstimmung 2018 votiert hat, ist ebenfalls nicht bestätigt. Nach der WM-Vergabe schloss Beckenbauer einen Kooperationsvertrag mit dem russischen Gasriesen Gazprom.