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BERLIN
Neubeginn mit Hindernissen
Türkischer Präsident in Deutschland       -  Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Recep Tayyip Erdogan im Bundeskanzleramt bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Der türkische Präsident hält sich zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland auf.
Foto: Kay Nietfeld, dpa | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Recep Tayyip Erdogan im Bundeskanzleramt bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Der türkische Präsident hält sich zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland auf.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 02.04.2019 12:23 Uhr

Sie sagen nichts. Kein Lächeln, nicht einmal der Hauch eines freundlichen Gesichtsausdrucks. Stattdessen zwei Gesichter, die zu Eis erstarrt sind. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan stehen nebeneinander, und doch würdigen sie sich keines Blickes. Ein schwieriger Gast, ein schwieriger Besuch.

Im Park von Schloss Bellevue empfängt das deutsche Staatsoberhaupt seinen türkischen Amtskollegen mit allem, was das diplomatische Protokoll zu bieten hat. Am Abend folgt noch ein Staatsbankett. Und doch können die Äußerlichkeiten nicht darüber hinwegtäuschen, wie belastet das Verhältnis ist. Draußen auf den Straßen demonstrieren mehrere tausend Menschen.

Bei seinen Gesprächen mit dem Bundespräsidenten in Schloss Bellevue und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Mittagessen im Kanzleramt, das fast 45 Minuten länger dauert als geplant, wirbt Erdogan zwar für eine Partnerschaft „auf Augenhöhe“ und verweist auf gleiche Interessen, und doch muss er sich Fragen nach Menschenrechtsverletzungen anhören.

Steinmeier wie Merkel fragen konkret nach verhafteten Journalisten und politischen Gefangenen und fordern deren Freilassung. Die Kanzlerin spricht bei der Pressekonferenz mit Erdogan gar von „tief greifenden Differenzen“. Sie sei allerdings zuversichtlich, dass alle Deutschen, die noch in türkischen Gefängnissen sitzen, bald freikommen. „Wir versuchen uns anzunähern, auch wenn das eine Weile dauern kann.“

Erdogan seinerseits weist die Vorwürfe entschieden zurück und hebt die Unabhängigkeit der türkischen Justiz hervor. Die Frage eines deutschen Journalisten weist er brüsk zurück. So wie er sich nicht in das deutsche Justizsystem einmische, habe der Fragesteller nicht das Recht, das türkische System zu kritisieren.

Überschattet wird die Pressekonferenz von zwei Zwischenfällen. Zunächst wird bekannt, dass der regierungskritische türkische Journalist Can Dündar, der eine Akkreditierung hatte, nicht an der Pressekonferenz teilnimmt, nachdem die türkische Delegation offenbar gedroht hat, im Falle seiner Anwesenheit die Veranstaltung abzusagen. Erdogan weist die Vorwürfe zurück. Dündar sei ein „Agent“, der Staatsgeheimnisse veröffentlicht habe, deswegen zu fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt worden sei und nach Deutschland geflohen sei. Der Verrat von Staatsgeheimnissen sei in keinem Land erlaubt, Dündar müsse an die Türkei ausgeliefert werden. Merkel bestätigt, dass es zwischen Erdogan und ihr wegen Dündar „unterschiedliche Meinungen“ gebe.

Und dann wird ein in Deutschland lebender türkischer Fotograf von Sicherheitsbeamten abgeführt. Er hatte sich ein T-Shirt mit der Forderung nach der Freilassung inhaftierter Kollegen („Freiheit für Journalisten in der Türkei“) übergestreift. „Ich habe nichts getan“, sagt er, doch Sicherheitskräfte in Zivil führen ihn sofort ab. Erdogan und Merkel übergehen den Zwischenfall.

Die Forderung Erdogans, die Gülen-Bewegung, die er für den Putsch im Jahr 2016 verantwortlich macht, als terroristische Vereinigung zu verbieten und 69 angebliche Terroristen auszuliefern, unter ihnen auch Can Dündar, weist Merkel zurück. Zu einzelnen Auslieferungsbegehren der Türkei werde sie keine Stellung nehmen.

Ein weiteres Thema der Gespräche ist der Syrien-Konflikt; Merkel schlägt ein Gipfeltreffen noch im Oktober vor, an dem neben Erdogan und ihr auch die Präsidenten Russlands und Frankreichs, Wladimir Putin und Emmanuel Macron, teilnehmen sollen.

Und zur Verbesserung der deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen soll eine hochkarätig besetzte Delegation unter Leitung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier nach Ankara fliegen. Deutschland habe ein Interesse „an einer wirtschaftlich starken Türkei“.

 
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