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TEL AVIV
Netanjahu steht vor großen Herausforderungen
Gil Yaron
 |  aktualisiert: 12.08.2014 19:04 Uhr

Vorerst schweigen in Südisrael die Waffen zwar, doch längst ist ein Krieg um die Folgen des Gaza-Krieges entbrannt. Erst die werden bestimmen, wer aus dem letzten Schlagabtausch zwischen Israel und der Hamas als Sieger hervorgeht. Premier Benjamin Netanjahu steht außen- und innenpolitisch vor großen Herausforderungen.

Es brauchte nur wenige Stunden der Ruhe, da war es mit Israels Solidarität für die kriegsführende Regierung vorbei: „Es wurde nichts erreicht“, schimpfte Alon Davidi, Bürgermeister der Stadt Sderot, über die Militäroperation seines Premiers im Gazastreifen. Davidi ist mit seinem Unmut nicht allein: Mehr als einen Monat hatten Israelis die Raketen der Hamas erduldet, weil sie hofften, ihre Armee würde dem seit über zehn Jahren andauernden Dauerbeschuss aus Gaza ein Ende bereiten. „Wir stehen hinter unseren Soldaten!“, hieß es auf den Postern zahlloser Solidaritätskundgebungen, mit denen man Premier Benjamin Netanjahu den Rücken stärken wollte. Jetzt sind viele enttäuscht.

Denn Netanjahu stimmte einer Waffenpause zu – zu früh, wie viele meinen. Militärs und Verteidigungsminister Mosche Jaalon versicherten den Bewohnern des Südens, sie könnten heimkehren, zu genau der Ruhe, die Netanjahu ihnen zu Beginn der Militäroperation versprochen hatte. Doch dann brach die Hamas am Freitag zum sechsten Mal eine Waffenruhe. Und nun droht sie, den Waffenstillstand auslaufen zu lassen und den Beschuss Israel wieder aufzunehmen, wenn Netanjahu nicht alle ihre Bedingungen erfüllt.

Untersuchungen der UN

„Die Menschen sind stinksauer“, sagte Glen Eilon aus Nativ Haassara der israelischen Zeitung „Jerusalem Post“. „Alles ist genau wie vorher“, meint der 73 Jahre alte Rentner. Mehr als 80 Prozent seiner Nachbarn kehrten deswegen nicht mehr heim: „Sie haben alle Angst“, so Eilon. Für Donnerstag haben Bewohner des Südens eine gewaltige Protestkundgebung in Tel Aviv angesagt: „Wir fordern eine ganz einfache Sache“, sagte die Sprecherin des Landkreises Eschkol, „Sicherheit, die es uns ermöglicht, unsere Kinder genau wie an jedem anderen Ort in Israel großzuziehen.“ Beim Versuch, diese Sicherheit zu schaffen, sei „Jaalon kläglich gescheitert“, wetterte Netanjahus Parteifreund Davidi. Damit gesellt er sich zu den Hardlinern in Netanjahus Koalition, die den Premier schon während des Krieges dafür kritisierten, dass er nicht schnell genug in Gaza einmarschiere. Nun will zudem noch ein Knesset-Ausschuss die Vorgänge des Kriegs untersuchen.

Während man Netanjahu vorwirft, zu sanft mit der Hamas umgegangen zu sein, drohen ihm auf der internationalen Bühne Probleme, weil seine Armee in Gaza vermeintlich zu hart zuschlug. Der UN-Rat für Menschenrechte ernannte William Schabas zum Vorsitzenden eines Ausschusses, der die Ereignisse in Gaza untersuchen soll. Doch der 64 Jahre alte kanadische Jurist ist kein unbefangener Beobachter des Nahostkonflikts, sondern ein Israel-Kritiker, der bereits dazu aufgerufen hat, Israels ehemaligen Staatspräsidenten und Friedensnobelpreisträger Schimon Peres wegen Völkermords vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu stellen. Und vor einem Jahr sagte er, er sähe „nichts lieber, als Netanjahu auf der Anklagebank“ desselben Gerichts.

Beziehung mit der Türkei kriselt

Außer der juristischen Herausforderung droht Israel vielleicht schon bald ein weiterer Eklat in den kriselnden Beziehungen mit der Türkei. Die islamische Hilfsorganisation IHH verkündete nämlich, schon bald mit Aktivisten aus zwölf Staaten erneut eine Flottille zusammenzustellen, um die Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Nur diesmal, so hieß es aus Ankara, wolle man sich von der türkischen Marine begleiten lassen. Im Jahr 2010 hatte Israel einen anderen Hilfskonvoi der IHH auf offener See gestoppt. Dabei waren neun Türken getötet worden.

Dabei ist gar nicht klar, ob und in welcher Form die Blockade Gazas andauern wird. Denn noch verhandelt Israel mit der Hamas in Kairo, auch über eine vorsichtige Öffnung der Grenzübergänge. Doch davor warnen in Israel Linke wie Rechte: Man dürfe der Hamas keinen Preis für die Anwendung von Gewalt verleihen, meinte Justizministerin Zipi Livni. Ziel müsse es sein, den pragmatischen palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zu stärken. Es scheint, als könne Netanjahu es im Augenblick niemand Recht machen.

 
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