Der Medizin-Nobelpreis geht in diesem Jahr an den gebürtigen Deutschen Thomas Südhof (57). Der Neurochemiker teilt sich die Auszeichnung mit den US-Forschern James Rothman (62) und Randy Schekman (64). Sie haben wesentliche Transportmechanismen in Zellen entdeckt, deren Defekte Grundlage von Diabetes, Tetanus, degenerativen Nervenleiden und vielen anderen Krankheiten sind. Das teilte das Karolinska-Institut in Stockholm mit. Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist mit umgerechnet 920 000 Euro (8 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.
Innerhalb von Zellen werden Stoffe oft in Bläschen, den Vesikeln, verpackt und weitergeleitet. „Ohne diese wunderbar präzise Organisation würde die Zelle im Chaos versinken“, schreibt das Nobelkomitee. „Ein defekter Transport von Vesikeln kommt in einer Reihe von Krankheiten wie vielen neurologischen und Immunstörungen und Diabetes vor“, erläuterte die Vorsitzende des Komitees, Juleen Zierath. Auch für das Hormonsystem sei der Transport wichtig. „Wenn wir denken, werden Substanzen von einem Neuron zu einem anderen freigesetzt“, so Komitee-Mitglied Jan Andersson. „Südhof hat herausgefunden, wie das Freisetzen kontrolliert wird. Also wie man seine Gedanken und Bewegungen kontrollieren kann.“ Südhof wurde 1955 in Göttingen geboren, studierte in Aachen und in Göttingen, wo er 1982 seine Doktorarbeit abschloss. Daraufhin ging er an die Universität von Texas und 2008 an die Stanford Universität. Der Wissenschaftler erfuhr vom Nobelpreis während einer Autofahrt in Südspanien, wo er an einem Kongress teilnimmt.
Der Erforschung von Zellen widmet auch der Neurophysiologe Robert Kittel von der Universität Würzburg ein großes Augenmerk. Erst jüngst hat er in einem viel beachteten Artikel in der Fachzeitschrift „Cell Reports“ seine Erkenntnisse über das Lernverhalten von Zellen veröffentlicht. Die Verleihung des Nobelpreises an Südhof ist für ihn „absolut nachvollziehbar“, der in die USA ausgewanderte Wissenschaftler gilt in der Szene der Zellforscher „als eine herausragende Persönlichkeit“. Durch dessen Arbeit herrsche nun „viel mehr Verständnis über molekulare Mechanismen in neuronalen Zellen“, sagt Kittel. Im Kern geht es darum: Südhof hat das Kontrollsystem entschlüsselt, über das Moleküle in kleine Bläschen, den sogenannten Vesikeln, verpackt und zu einer anderen Stelle des Körpers transportiert werden. Vereinfacht ausgedrückt, so Kittel, wird nun die Kommunikation zwischen Nervenzellen besser verstanden. „Das geschieht über Synapsen und spielt eine grundlegende Rolle bei allen Prozessen im Gehirn.“
Als Thomas Südhof vor Jahrzehnten mit seiner Arbeit begonnen habe, sei wenig auf diesem Gebiet bekannt gewesen. „Er hat immer mehr Puzzleteile zusammengefügt, sodass wir jetzt ein viel besseres Verständnis dafür haben, wie eine Nervenzelle funktioniert“, sagt Kittel. Und nur wer die normalen Abläufe in einem Körper kenne, könne Rückschlüsse bei Erkrankungen ziehen: In der Zukunft könnte das Wissen zu therapeutischen Ansätzen bei Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson führen. „Allerdings existiert da auch noch Raum für weitere Erkenntnisse“, so Kittel.
Die weiteren ausgezeichneten Mediziner sind der Amerikaner Randy Schekman, der erst am vergangenen Donnerstag die Otto-Warburg-Medaille in Frankfurt erhielt – für Forschungsergebnisse zu Transport-Prozessen in Zellen. Er forscht derzeit an der Universität im kalifornischen Berkley. Der ebenfalls ausgezeichnete James Rothman ist Professor an der Yale Universität in New Haven. Die feierliche Überreichung der Auszeichnung findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.
Mit Informationen von dpa