Pauline Zwaans von der Weltbank steht auf dem Durbar-Platz im Herzen Kathmandus und schaut mit gerunzelter Stirn nach oben. Um sie herum erheben sich bröckelnde Gebäude, die bei dem Erdbeben am 25. April in Nepal stehengeblieben sind. Viele Wände müssen von Gerüsten gestützt werden. Heruntergefallene Ziegelsteine sind in einer Ecke gestapelt, auf einem anderen Haufen liegen Statuen. „Die Zerstörung auf diesem wichtigen und großartigen historischen Denkmalplatz hat mich getroffen“, sagt sie später. Es sieht nach viel Arbeit aus.
Genau deswegen sind Vertreter der Weltbank, der EU-Kommission, der Asiatischen Entwicklungsbank und der Vereinten Nationen nach Nepal gekommen. Auch die Außenminister der großen Nachbarn Indien und China sind bei der Geberkonferenz am Donnerstag dabei. Zusammen versprechen sie dem kleinen Land mehrere Milliarden Euro für den Wiederaufbau – Geld, das dringend gebraucht wird.
600 000 Häuser zerstört
Der Himalaya-Staat gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt beträgt pro Einwohner nur rund 600 Euro im Jahr, das ist so niedrig wie sonst fast nirgendwo. In den vergangenen Jahren, nach der Überwindung eines Bürgerkrieges und der Einführung der Demokratie, ging es allerdings aufwärts. Nepals Wirtschaft wuchs um mehr als fünf Prozent. Das Land war auf einem guten Weg, viele Millenniums-Entwicklungsziele der UN zu erreichen.
Das Erdbeben hat das Land zurückgeworfen. Etwa 9000 Menschen sind gestorben. Rund 600 000 Häuser wurden zerstört. Damit sind etwa drei Millionen Menschen obdachlos – das ist ein Zehntel der Bevölkerung. Die Nothilfe sei nun geleistet, sagt Finanzminister Ram Sharan Mahat im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Wir betreten jetzt die Wiederaufbauphase. Dafür brauchen wir riesige Mengen Geld.“ Sechs Milliarden Euro, schätzt er.
Nicht alles lief reibungslos in den Wochen nach der Katastrophe. Hilfsgüter blieben lange am Flughafen liegen, weil der Zoll überfordert war. Ein Mitarbeiter des Finanzministers soll Wellblech, das für Schulen gedacht war, für den persönlichen Profit verkauft haben. Und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen geriet in die Kritik, weil verteilte Lebensmittel schimmelig waren.
Auch ist die Verteilung in dem bergigen Land mit nur wenigen Straßen schwierig. „Die Regierungsvertreter konnten den Reis nicht in die hohen Berge schaffen, also haben sie alles in unserem Dorf abgeladen“, erzählt etwa Jeena Karki, deren Familie im Distrikt Sindhupalchowk lebt. Im benachbarten Ramechhap ist bei manchen Menschen nur wenig angekommen. „Sie gaben uns nur drei Kilogramm Reis und einige Nudeln“, erzählt Hari Khadka. Sein Sohn habe stundenlang zur nächsten Straße laufen müssen, um die Hilfsgüter zu holen.
Nepals Politiker appellierten dabei quasi ununterbrochen an die Spender, nur in den Hilfsfonds des Premierministers einzuzahlen. Khadka beklagt sich, von den versprochenen 130 Euro für den Bau einer Hütte noch nichts gesehen zu haben – die Bürokratie arbeite zu langsam. Das meint auch Shubha Murthi, Asienleiterin bei den SOS-Kinderdörfern. „Wir warten ständig auf Genehmigungen zum Beispiel für den Aufbau von Gebäuden“, sagt sie.
Und nun ist auch noch der Monsun da. „Wir sehen täglich kleine Erdrutsche“, erzählt Thomas Moch, Katastrophenhelfer des Deutschen Roten Kreuzes. Fast täglich spüre er kleine Nachbeben. Moch leitet eine Gesundheitsstation in den Bergen. Die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsbeauftragten seines Distrikts laufe reibungsfrei.
Die Regierung in Kathmandu versichert den Geldgebern immer wieder, bei der Verteilung der Gelder transparent zu arbeiten. Zweifel sind in dem von Korruption geplagten Land angebracht. Trotzdem versprechen nun Indien eine Milliarde US-Dollar, China 483 Millionen Dollar, Japan 260 Millionen Dollar, die USA 130 Millionen Dollar und die Europäische Union 100 Millionen Euro. Vieles davon sind aber wieder nur Kreditzusagen. Finanzminister Mahat klagte schon vor der Konferenz: „Bislang haben wir fast keine Spenden bekommen.“
„Tränen der Nepalesen trocknen“
Indien, der nun größte Geldgeber, versteht Nepal traditionell als einen engen Bündnispartner – und versucht, den Einfluss Chinas dort gering zu halten. Neben der Milliarde für den Wiederaufbau bekomme Nepal noch eine Milliarde Dollar als Entwicklungshilfe über die nächsten fünf Jahre, sagte Indiens Ministerin Swaraj weiter. Nach dem Erdbeben hatte Indien in der „Operation Freundschaft“ schon die meisten Helikopter und Soldaten für Rettung und Nothilfe geschickt. Indiens Premierminister Narendra Modi versprach damals, er werde „die Tränen eines jeden Nepalesen trocknen“.