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BERLIN
Nebeneinkünfte: zwei Millionen
Von unserem Korrespondenten Martin Ferber
 |  aktualisiert: 10.05.2023 11:01 Uhr

Er versprach größtmögliche Offenheit und Transparenz. Und er hoffte auf ein Ende der öffentlichen Debatte über seine Nebentätigkeiten und seine Einkünfte als gut bezahlter Redner. Als SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück vor wenigen Tagen im Willy-Brandt-Haus eine Liste über alle 87 Vorträge samt Auftraggeber, Ort, Höhe des Honorars und Art der Veranstaltung präsentierte und diese gleichzeitig ins Internet stellte, war er überzeugt, damit seinen Kritikern den Wind aus den Segeln genommen zu haben.

Doch er hatte sich getäuscht. Am Wochenende entflammte die Debatte erneut. Auslöser war ein Bericht des Magazins „Focus“, wonach Steinbrück in dieser Legislaturperiode Nebeneinkünfte von fast zwei Millionen Euro erzielte. Zusätzlich zu den 1,25 Millionen Euro, die der frühere Finanzminister in der Großen Koalition für seine Vorträge bekam, seien noch Buchhonorare von 550 000 Euro hinzugekommen sowie weitere 115 000 Euro, die er für seine Tätigkeit im Aufsichtsrat des Stahlriesen ThyssenKrupp erhielt. Noch ausstehend ist ein Betrag von 65 000 Euro, die ihm für das abgeschlossene Geschäftsjahr zustehen.

Hinzu komme noch eine fünfstellige Summe für ein Interview im Geschäftsbericht des international tätigen Baukonzerns Bilfinger Berger, der seinen Hauptsitz in Mannheim hat und an dessen Spitze der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) steht. Steinbrück und Koch hatten vor Jahren ein gemeinsames Konzept zum Abbau von Steuerprivilegien und Subventionen entwickelt.

Zur exakten Höhe dieses Honorars wollte sich Steinbrück trotz der von ihm zugesagten vollen Transparenz bei seinen Nebeneinkünften nicht äußern. Die Vergütung von Bilfinger Berger sei nicht in der Auflistung seiner Nebeneinkünfte aufgeführt worden, weil sich diese Liste „explizit auf die Vortragstätigkeiten von Herrn Steinbrück bezieht“, sagte ein Sprecher der SPD. Das Honorar belief sich auf mindestens 7000 Euro, da Steinbrück diese Einkünfte dem Bundestagspräsidenten mit Stufe 3 („mehr als 7000 Euro“) meldete.

Bei den Linken in der SPD stoßen die hohen Nebeneinkünfte des Kanzlerkandidaten weiter auf Kritik und Unverständnis. „Es geht um hohe Summen. Wenn sich die SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit mit so einer Debatte herumschlagen muss, dann ist das für uns natürlich schwierig“, sagte die Sprecherin der „Parlamentarischen Linken“ im Bundestag, die Ulmerin Hilde Matthies.

Hinzu gesellt sich für den Herausforderer von Angela Merkel ein weiteres Problem: Zwar kann der 65-Jährige mit seiner forschen Art und seiner direkten Sprache nach Umfragen bei älteren Männern punkten, nicht jedoch bei jüngeren Frauen. In keiner anderen Wählergruppe liegt der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen so klar hinter Amtsinhaberin Angela Merkel wie bei den unter 30-jährigen Frauen. Nur 26 Prozent würden ihn wählen, 58 Prozent dagegen die Kanzlerin.

Damit ist Steinbrück dieser Wählergruppe noch unsympathischer als SPD-Chef Sigmar Gabriel. Und: Eine Mehrheit der Bundesbürger hält Merkel für sympathischer, glaubwürdiger, durchsetzungsfähiger und in vielen Bereichen auch für kompetenter als ihren Herausforderer.

Um sein Defizit bei den Wählerinnen auszugleichen, fordern die Frauen in der SPD, dass der Kanzlerkandidat sein Kompetenzteam für die Bundestagswahl zur Hälfte mit Frauen besetzt. „Das Regierungsteam der SPD muss das Thema Gleichstellung glaubwürdig widerspiegeln. Wir setzen auf ein paritätisches Team aus Frauen und Männern“, sagte Elke Ferner, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF). „Wir haben genügend Frauen, die für Ministerämter und auch für klassische Ressorts zur Verfügung stehen. Diese Frauen müssen wir nicht mit dem Lasso fangen gehen.“ Nach Ansicht Ferners müsse die SPD „die Gleichstellung zu ihrem Kernanliegen im Wahlkampf machen“.

Bei einem Treffen mit führenden SPD-Linken wollte sich Steinbrück allerdings in dieser Frage nicht festlegen. Selbstverständlich sei er für eine möglichst ausgeglichene Zusammensetzung, sagte er nach Angaben von Teilnehmern, gleichwohl werde er aber nicht das Team aufblähen, nur um damit noch ein paar zusätzliche Frauen unterzubringen. Auch dies dürfte in der SPD noch für heftige Debatten sorgen.


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