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BRÜSSEL
Nach Schottland-Referendum: Angst vor Separatismus
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 19.09.2014 20:51 Uhr

Die Erleichterung der EU war mit Händen zu greifen. Schon wenige Minuten nach Bekanntwerden des schottischen Ergebnisses nannte Kommissionspräsident José Manuel Barroso den Ausgang des Referendums „gut für das vereinte, offene und gestärkte Europa“. Gleichzeitig versprach er eine weitere enge Zusammenarbeit mit der schottischen Führung über alle wichtigen Themen wie Arbeitsplätze, Wachstum, Energie, Klimawandel und Umweltschutz. Ein paar Kilometer entfernt sprach Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen von der „guten Gewissheit, dass das Vereinigte Königreich als geeintes Land vorangehen wird“.

Doch in das Aufatmen mischten sich im Laufe des Tages zunehmend auch nachdenkliche Töne. „Das Referendum in Schottland sollte als Weckruf für Europas Zentralstaaten dienen“, betonte der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Jo Leinen. „In einer globalisierten Welt und einem zusammenwachsenden Europa streben immer mehr Regionen mit eigener kultureller Identität nach mehr Selbstverwaltung und Selbstbestimmung.“ Diese zu ignorieren, sei „keine Lösung“. Und auch die Chefin der CSU-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Angelika Niebler, erklärte: „In einer zunehmend globalisierten Welt bieten Tradition, Kultur und Regionalität Halt für viele Bürgerinnen und Bürger.“

Brüssel sieht das Schreckgespenst einer von separatistischen Bewegungen zunehmend zersetzten Union als gebannt an, auch wenn in der spanischen Region Katalonien Anfang November ebenfalls über eine Autonomie abgestimmt wird. Doch dieses Votum hat die Zentralregierung in Madrid als illegal abgetan – im Unterschied zu London. Solche separatistischen Aufmüpfigkeiten gibt es in vielen Bereichen der EU. Kein Wunder, dass die europäischen Institutionen das Aufbrechen weiterer Wünsche nach Eigenständigkeit fürchteten, hätten die Schotten mit Mehrheit für eine Scheidung von London gestimmt.

„Nicht nur die Regierungen der Mitgliedsstaaten, sondern auch die EU müssen verstehen, dass die Region keine Nostalgie, sondern der Lebensraum der Bürger ist, die Europäer, aber eben immer Basken, Schotten oder Bayern sein wollen“, drückte es ein hochrangiges Mitglied der Kommission aus. Und ergänzte: „Machen wir es doch wie die Deutschen: Die haben ein starkes föderales System, mit starken Ländern. Das ist ein Modell.“

Der designierte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat nach der Kritik an der Brüssel-Lastigkeit der EU bereits Konsequenzen gezogen: In seinem Team, das am 1. November die Arbeit aufnehmen wird, wurde das Thema Subsidiarität weit oben angesiedelt – bei dem Niederländer Frans Timmermans, Junckers rechter Hand in der Kommission. Man müsse die wachsende Skepsis an „einer europäische Zentralregierung“ ernst nehmen, hieß es erst vor wenigen Tagen aus Junckers Umgebung. Soll heißen: Der Luxemburger will jede neue Regelung daraufhin prüfen lassen, ob man wirklich eine harmonisierte Regulierung für alle Mitgliedsstaaten brauche – oder ob man nicht mehr Verantwortung in die Regionen zurückgeben könne. Es wäre genau das, was den Schotten vorschwebte.

 
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