Historische Stunden in Ägypten: Das bevölkerungsreichste arabische Land wird jetzt von einem Islamisten regiert. Vor dem Hohen Verfassungsgericht in Kairo legte der erste freigewählte Präsident Mohammed Mursi am Samstag seinen Amtseid ab. Die Eidesformel, die Mursi sprach, verpflichtet ihn zu Loyalität gegenüber der republikanischen Staatsordnung, den Gesetzen und der Verfassung. Für einen Politiker, der aus der Muslimbruderschaft stammt, ist das keine Selbstverständlichkeit. Denn Ziel der Organisation ist die Durchsetzung des islamischen Rechts („Scharia“).
Der bodenständige Islamist Mursi (60) ist der erste Zivilist, der das höchste Staatsamt innehat. Seine Vorgänger stammten alle aus der Armee. Die Amtszeit des ägyptischen Präsidenten beträgt vier Jahre.
El Baradei als Ministerpräsident?
Kurz nach dem historischen Termin im Verfassungsgericht hielt Mursi an der Universität Kairo seine erste Rede im Amt. „Wir treten in eine neue Phase ein und schließen ein verhasstes Kapitel ab“, erklärte er vor geladenen Würdenträgern. „In Ägypten lassen sich die Uhren nicht mehr zurückdrehen“, sagte er mit Blick auf den Umsturz vor mehr als 16 Monaten, als der seit 1981 herrschende Präsident Hosni Mubarak nach Massenprotesten das Feld räumen musste.
Mohammed Mursi sprach sich für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung aus, die den Präsidenten zum „Diener seines Volkes“ machen und „die Freiheit der Gedanken, des Ausdrucks und der Kreativität freisetzen“ soll. Er betonte die Notwendigkeit, die „chaotischen Verhältnisse vor allem in der Wirtschaft“ zu beseitigen.
Mursi will in den nächsten Tagen Vize-Präsidenten und eine neue Regierung ernennen. Als möglicher Ministerpräsident wird der Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei (70) gehandelt.